Es
findet sich keine Bemerkung darüber, dass die römische Politik als
solche in der Germanenfrage versagt hatte, die römischen Legionen trotz
größter Anstrengungen nicht in der Lage waren den Sieg gegen die
Germanen zu erringen oder eine angemessene Würdigung der germanischen
Kampfweise oder Kriegstaktik. Der Umstand, dass er erst etwa zweihundert Jahre nach der Varuskatastrophe seine Romanika Historia niederschreibt und es wohl damals keine genauen für ihn verwertbaren Aufzeichnungen über
den Schlachtverlauf und Schlachtort gab (oder er sie nicht heranziehen
wollte), scheint für ihn Anlass zu sein seiner künstlerischen Freiheit
aufs allergrößte freien Lauf zu lassen. Er schreibt Eingangs als
Erklärung für die Darstellung seines Berichtes über die Varusschlacht
schließlich diesen die damalige Informationslage beschreibenden, Satz: (Cass.Rom.56.18.1)
„Die Römer besaßen zwar einige Teile dieses Landes, doch kein
zusammenhängendes Gebiet, sondern wie sie es gerade zufällig erobert
hatten, deshalb berichtet auch die geschichtliche Überlieferung darüber
nichts.“. Für seinen Alterssitz wählte er sich Bithynien, eine
Region in Kleinasien weitab von Rom, wo er sicherlich auch erhebliche Probleme hatte, sich ausreichend mit
detaillierten Informationsquellen zur Varusschlacht zu versorgen.
Den
Römischen Lesern von Dios Römischer Geschichte interessierten
wahrscheinlich auch nicht besonders präzise Ortsangaben, Stammesdetails
oder der genaue Hergang einer Niederlage der eigenen Legionen. So galt
doch das rechtsrheinische Germanien zur Zeit Dios als das Land der
kulturlosen Barbaren, dem man keine aufwertende Bedeutung mehr zukommen
lassen musste. Auch war der Stamm der Cherusker in den Augen der Römer
der Oberbegriff und das Synonym für die barbarischen Germanen, die es
gewagt hatten sich gegen die kulturell überlegene römische Herrschaft
aufzulehnen, so dass er nicht auf Stammesunterschiede hinweisen musste.
Weiterhin muss man die Ortskenntnis des Dio über die geographischen
Verhältnisse in Germanien anzweifeln. Während andere Autoren in ihrer
Überlieferung sehr wohl die einzelnen wichtigen Flusssysteme Germaniens
unterscheiden und auch differenziert in Rhein, Lippe, Ems, Weser und
Elbe aufzählen, sucht man in den Berichten Dios über die Germanenkriege
vergeblich einen Hinweis über den Fluss Ems, obwohl sich an diesem nicht
unbedeutendem Fluss einige wichtige Ereignisse zugetragen haben. So
lieferte sich Drusus auf der Ems oder in seinem Delta ein Seegefecht
mit den Brukterern, und Germanicus steuerte während seiner
Germanenkriege diesen Fluss zweimal mit seiner Flotte an, um von hier
aus in das innere Germaniens vorzustoßen. So kann es sein, dass Dio aus
Unkenntnis über die einzelnen germanischen Flusssysteme, oder aus
nachlässiger Bequemlichkeit gewisse Ortsangaben die sich tatsächlich auf
die Ems beziehen müssten der Weser zugeschlagen hat.
Auch die Zuordnung der
Persönlichkeiten innerhalb der Germanenstämme ist bei Dio
anzuzweifeln. So gelten für ihn Arminius und Segimer als
Hauptverschwörer des Aufstandes (Cass.Rom.55.18.1).
Bei Strabo und Tacitus (Tac.Ann.) ist Segimer ein ehemals
Abtrünniger dem jedoch verziehen wurde. Einem Anführer einer
Revolte, die für das römische Reich in eine derartige Katastrophe
endete, hätte Rom niemals verziehen.