Das Lager
Aliso
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Aliso in den Quellen
Eine herausragende Frage in
der deutschen Frühgeschichtsforschung, an dessen Beantwortung sich
schon Scharen engagierter Altertumswissenschaftler herangewagt haben
lautet, wo Arminius das Heer der Römer in der so genannten Clades
Variana geschlagen hat. Zu Lösung dieses Rätsels fehlte der
Wissenschaft bisher noch ein wichtiger und entscheidender Missing
Link, nämlich die genaue Position des ehemaligen Römerlagers Aliso.
Dieses Römerkastell erhielt seinerzeit eine gewisse Berühmtheit
sowohl unmittelbar nach der Varusschlacht, als dieses Lager als einziges auf der rechten
Rheinseite dem germanischen Ansturm widerstand (Vell.Hist.120/4,
Cass.56.20,
Front.2/9.4,
Front.3/15.4,
Front4/7.8), wie auch einige Jahre
später als der römische Feldherr Germanicus dieses Kastell bei einer
erneuten Belagerung der Germanen aus dieser Einkesselung befreite (Tac.Ann.II/7). Da
mit diesem Lager die Ereignisse der Germanenfeldzüge eng verknüpft sind,
ließen sich mit der Lokalisierung dieses Kastells auf die Lage anderer
gesuchten Örtlichkeiten, vor allem die der Varusschlacht selbst,
gewichtige Rückschlüsse bilden, die dann unzweifelhaft zu deren
Auffinden beitragen würden. Aus diesem Grund ist es reizvoll zu prüfen,
ob man das mutmaßliche Römerlager in der Gemarkung Römerrast, wie
es Ortelius in seiner Karte angedeutet hat, tatsächlich mit dem viel
gesuchten Aliso gleichsetzen kann. Um dieser Hypothese auf den Grund zu
gehen, müssen alle bekannten Fakten die uns über diesem Römerlager zur
Verfügung stehen genau beleuchtet werden, um sie auf diesen
vermeintlichen Lagerstandort zu projizieren.
Alles
was wir bisher über das Römerlager Aliso wissen beruht nur auf den
Überlieferungen der antiken Autoren. Sie allein geben bislang
bestimmende Hinweise, die dieses Lager für uns gegenständlich machen.
Die Quellenlage über das einzige namhaft bekannte Römerlager an der
rechten Rheinseite ist relativ gering, jedoch lassen sich durch einzelne
Aussagen in den Überlieferungen gewisse Vorraussetzungen die für einen
Lagerstandort gelten müssen einschränkend darlegen.
Velleius
Paterculus,
Frontinius und
Cassius Dio sind die einzigen Autoren die uns
über die Geschehnisse um Aliso in Verbindung mit der
Varusschlacht
erzählen. Dabei ergänzen sich die einzelnen Berichte und lassen
untereinander keine gravierende Unstimmigkeit in ihren Aussagen
erkennen.
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Karte Belgii Veteris von Abraham Ortellius aus dem Jahr 1584
Aliso ist an der Issel eingezeichnet
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Karte Belgii Veteris von Abraham Ortellius aus dem Jahr 1587
Aliso ist an der Issel eingezeichnet
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Eine
falsche Spur in der Alisosuche legte uns Cassius Dio, der ein Lager
erwähnte, das in Verbindung mit den frühen Drususfeldzügen, am
Zusammenfluss von Lupia und Elison angelegt wurde (Cass.54.33). Die Lupia ist uns als
der Fluss Lippe bekannt, aber den Fluss Elison konnte man mit den
heutigen Flusssystemen, die mit der Lippe zusammenfließen, namentlich
nicht in Verbindung bringen. Die Wortähnlichkeit zwischen Aliso und
Elison gab der Annahme Nahrung, dass hier an diesem gesuchten
Zusammenfluss auch das berühmte Lager zu finden sei. Durch diese Aussage
angeregt, sind die Nebenflüsse der Lippe in ihrem Mündungsbereich, auf
vermeintliche Standorte von Lagern untersucht worden. So gerieten die
Alme bei Paderborn, die Glenne bei Lippstadt, die Ahse bei Hamm, die
Seseke bei Lünen und die Stever bei Haltern unter den Verdacht mit dem
gesuchten Fluss Elison identisch zu sein, wobei letztendlich die
Erfolgsaussichten dieser Lokalisierungsbemühungen nicht von einem
verwertbaren Resultat belohnt wurden. Denn mit der Aufspürung des Lagers
Oberaden, und seiner archäologisch gesicherten Datierung für die Jahre
11-8 vor Christus, hatte man das Bollwerk von dem uns Dio berichtet,
entdeckt. Aber dadurch dass dieses Römerkastell dendochronologisch
nachgewiesen zur Zeit der Varusschlacht schon lange nicht mehr
existierte, war die Aliso gleich Elison Theorie vom Tisch.
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Bild
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Karte des Kreises Rees unter den Römern.
Von Prof. Dr. Schneider 1868
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Lokalisierung durch die Quellen
Fasst
man diese Ausführungen der antiken Autoren zusammen, so ergibt sich ein
Bild, mit dem man den Bereich des Standortes dieses Lagers in etwa
Eingrenzen kann. Demnach scheint es unmöglich, dass sich das Lager Aliso
sehr weit im germanischen Landesinneren befunden hat. Denn wenn es die
Eingeschlossenen des Lagers Aliso geschafft haben, heimlich an den
germanischen Postenketten vorbei zum rettenden Rheinufer zu gelangen, so
konnte die Distanz die sie zurücklegen mussten nicht allzu groß gewesen
sein. Denn eine solche Aktion konnte nur gelingen, wenn diese
Marschkolonne am Abend im Schutz der Dunkelheit losmarschiert wäre und
bis zum darauf folgenden Tagesanbruch ihr Ziel erreicht hätte. Denn
spätestens dann hätten die Germanen die Flucht bemerkt und wären den
Fliehenden nachgesetzt, was für die Römer sicherlich den sicheren Untergang
bedeutet hätte. Die Marschgeschwindigkeit kann allerdings auch nicht
allzu groß gewesen sein denn wir lesen bei Dio, dass unter den
Flüchtenden viele Frauen und Kinder, und als Vermutung des Verfassers
sicherlich auch eine große Anzahl verwunderter Soldaten waren. Zudem
konnten die Römer nicht die normalen Strassen benutzen, da diese von den
Germanen bewacht wurden, sondern sie mussten sich durch bewachsenes und
unwegsames Unterholz ihren Weg bahnen, wobei vorher der Weg erkundet
werden musste um nicht frühzeitig entdeckt zu werden. Gleichzeitig
mussten sich die Römer in der Dunkelheit absolut geräuschlos verhalten
was die Fortbewegungsgeschwindigkeit zusätzlich verringerte.
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Ein neues
Römerlager
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Bedingt
durch diese Bedingungen kann man eine Marschgeschwindigkeit von maximal
ein bis zwei Kilometer in der Stunde annehmen. Angenommen die Römer
hätten in dieser Winternacht 12 Stunden Zeit gehabt in der ein
Vorwärtskommen in der Dunkelheit möglich gewesen wäre, dann käme man auf
eine Marschdistanz von höchstens 24 Kilometern, eher beträchtlich
weniger. Diese Berechnungen zeigen den größten Abstand auf den dieses
Lager unter diesen Voraussetzungen vom Rhein entfernt gewesen sein kann.
Bisher kennen wir außer dem Marschlager in
Holsterhausen,
welches mit
Sicherheit kein Alisokandidat ist, kein Römerlager dass in diesem
genannten Entfernungsbereich seinen ehemaligen Standort hatte. Das
bisher gelegentlich als das Aliso angesehene Lager in
Haltern, scheidet
mit großer Sicherheit auch aus diesen entfernungsbedingten Gründen aus,
da es sich in etwa 41 Kilometern Entfernung Luftlinie vom Rhein befunden
hat. Gleichzeitig scheint es auch archäologisch Erwiesen, dass der
Legionsstandort zur Zeit der Varusschlacht zerstört und nicht wieder
aufgebaut wurde, was auch hier gegen ein Aliso in Haltern spricht.
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Der
gleiche Entfernungsgrund der Haltern als das ehemalige Römerlager Aliso
ausschließt, schließt natürlich die Alisowahrscheinlichkeit für das
Lager
Dellbrück-Anreppen um ein vielfaches mehr aus. Hier scheint es
absolut undenkbar, dass sich die eingeschlossenen Römer nach der
Auslegung der historischen Überlieferungen, bei ihrem Ausbruchsversuch
mehr als 150 Kilometer bis zum Rhein durchschlagen konnten. Zudem gilt
auch hier der bisher archäologisch nachgewiesene Endpunkt für das Jahr 9, der
die Wahrscheinlichkeit dass es sich bei Anreppen um Aliso handelt,
zusätzlich in weite Ferne rückt.
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Das
mutmaßliche Lager in der Gemarkung Römerrast passt hingegen von seiner
Lage her genau in dieses Entfernungsraster welches durch die
Interpretation der Quellenlage verbindlich ist, denn durch seine Nähe
zum Rhein war es für die Eingeschlossenen realistisch in ihrer
Situation, dass dieser Ausbruchsversuch erfolgreich abgeschlossen werden
könnte. Denn andernfalls wäre dieser besonnene Lagerkommandant dieses
Risiko des Ausmarsches nicht eingegangen, sondern er hätte nach anderen
Lösungen gesucht. Letztendlich ist diese Unternehmung ja auch
erfolgreich im Sinne der Römer beendet worden.
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Es fragt
sich warum die Germanen dieses Lager Aliso nicht erobern konnten wo sie
doch alle anderen römischen Stützpunkte auf der rechten Rheinseite nach
der Varusschlacht erobert hatten. Das scheint nur möglich gewesen zu
sein, weil es sich bei diesem römischen Stützpunkt um ein kleineres
Lager handelte. Denn die beiden großen Legionslager Haltern und Anreppen
hatten durch die Tatsache dass der Großteil ihrer Legionen nicht
anwesend war, nur eine kleinere Stammbesatzung zur Bewachung
zurückgelassen. Und diese Mannschaften in ihrer geringen Stärke waren
offensichtlich nicht in der Lage ein derartig ausgedehntes Legionslager,
gegen eine germanische Übermacht, zu verteidigen. Anders verhält es sich
bei einem kleineren übersichtlicheren Kastell was beispielsweise für
eine Auxillaeinheit errichtet wurde. Hier konnte unter Umständen schon
ein kleineres Kontingent an Soldaten, bei entsprechender Bewaffnung,
einen Eroberungsversuch erfolgreich unterbinden. Da Dio erwähnt, dass
die Germanen vorwiegend durch Bogenschützen beim ihren Angriffen auf das
Lager abgewehrt wurden, ist es denkbar, dass es sich bei diesem Lager um
ein Hilfstruppenlager gehandelt hat, denn reguläre Legionäre kämpften in
der Regel nicht mit Pfeil und Bogen. Diese Kampftechnik war den
Auxillarverbänden vorbehalten. Die vermutete Lagergröße, in der
normalerweise etwa 500 Hilfstruppensoldaten stationiert waren, lässt
sich ohne weiteres auf das Plateau in der Gemarkung Römerrast
übertragen.
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Wie
lange Aliso nach dem Auszug seiner Besatzung unbelegt war ist nicht
bekannt, aber Paterculus schreibt davon, dass Tiberius nach der
Varusniederlage den Rhein überschritten hat und die Grenzwege offen
legte (Vell.Hist.120/2) Dass kann nur bedeuten, dass zur weiteren Bewachung dieser
Grenzwege ein Stützpunkt auf der rechten Rheinseite bestehen musste, und
aus diesem Grunde das Lager Aliso vermutlich nur wenige Zeit nach der
Varusniederlage, während der Anwesenheit von Tiberius wieder neu belegt
wurde.
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Eine weiterer Bericht eines antiken
Schriftstellers, der zur Lagebestimmung von Aliso herangezogen werden kann und
zudem noch wichtige Rückschlüsse über den Ort der Niederlage des Varus
hinterlässt, ist der von Cornelius Tacitus. Er schreibt zwar nicht von diesem
Kastell in Verbindung mit der Varusschlacht selbst, sondern er erwähnt Aliso 7
Jahre später als Germanicus seinen Krieg gegen die Germanen führte (Tac.Ann.II/7). Hier gibt uns Tacitus eine Fülle
von Informationen die bei der Suche nach dem gesuchten Lager hilfreich
sind. Zuerst scheint auch dieser Befreiungsversuch des Germanicus nicht
allzu weit in das Innere Germaniens vorgetragen worden sein was auch für
eine gewisse Nähe vom Lager Aliso zum Rhein spricht. Des Weiteren bringt
Tacitus als Hinweis zur Lokalisierung dieses Lagers als Fixpunkt die
Lippe zu Sprache. Allerdings kann hier je nach Auslagungssache
dieser Textstelle auch von zwei unterschiedlichen Lagern die Rede
gewesen sein. Es scheint aber wahrscheinlich, dass Tacitus sich auf
einen seinerzeit andersartigen Lippelauf, wie in einem
vorangegangenen
Kapitel beschrieben wurde, bezogen hat. So könnte hier die Gemarkung Römerrast
mit seiner Nähe zum ehemaligen Lippelauf gemeint gewesen sein. Auch
lässt sich durch den Umstand, dass die Germanen bei ihrem Abzug das
Denkmal des
Drusus und den Grabtumulus der Varuslegionen zerstörten, hier auch eine
räumliche Nähe des Lagers Aliso zum Ort der Varusschlacht nicht
absprechen.
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