Ein
neues Römerlager ?
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Google Ansicht Römerrast:
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Dem rechten Rheinuferbereich, gegenüber der
Legionsfestung Vetera, kam eine besondere strategische Bedeutung
während der römischen Anwesenheit am Rhein zu. In diesem Gebiet,
beidseitig der Lippemündung, und speziell nördlich der Lippe, war es
für die Römer aus taktischen Gründen erforderlich einen gesicherten
Brückenkopf zu bilden. Hier galt es darum, einerseits Raum zu
schaffen um sich für die Vorstöße ins innere Germaniens zu
formieren, und andererseits dieses Gebiet schon im Vorfeld des
Rheinufers gegen germanische Übergriffe zu sichern, die das Ziel
hatten das linke Rheinufer zu bedrängen.
In diesem Gebiet siedelte einstmals der Stamm der
Sugambrer, der sich mit den Römern in den ersten Jahren ihrer
Anwesenheit am Niederrhein erbitterte Auseinandersetzungen lieferte.
Den Römern gelang es zwar diesem Stamm sein Territorium in Rheinnähe
zu entreißen und Teile der Sugambrer auf die linke Rheinseite
umzusiedeln, jedoch gelang es ihnen entlang dieses
Rheinuferbereiches nicht auf Dauer, durch gezielte Klientelpolitik
die Scheide zwischen den beiden Kulturen in diesem Grenzabschnitt zu
beruhigen und zu befrieden.
Aus diesem Grund konnte dieses Gebiet nur durch
unentwegte militärische Präsenz unter römischer Kontrolle gehalten
werden. Zeugnisse dieser Anwesenheit finden sich im Rheinvorland,
nördlich der Lippe, noch heute an manchen Stellen.
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Die
Lage von Römerrast
Kreis Wesel, Gemeinde Hamminkeln, Ortsteil Loikum, Gemarkung
Römerrast. Dieser Ortsname solle allein schon
aufhorchen lassen und erste Neugier wecken. So weist sie doch von seinem Namen auf einen Ort
hin der einstmals mit den Römern in Verbindung gestanden haben könnte.
Zwar ist hierzulande eine Ortsbezeichnung die auf römische Aktivitäten
hinweist grundsätzlich nichts Ungewöhnliches, denn die Römer waren über
lange Jahre in diesem Gebiet präsent und haben hier sicherlich auch einen
nachhaltigen Eindruck hinterlassen, der sich gerade in Ortsbenennungen niedergeschlagen
haben könnte, die bis in die heutige Zeit überdauert haben. Sicherlich
steht auch nicht jede Ortsbenennung die römische Attribute beinhaltet auch
tatsächlich mit dieser frühen Weltmacht im Zusammenhang, aber hier
gibt es einen ersten Anhaltspunkt der auf einen einstmaligen römischen
Lagerstandort an diesem Ort hinweist.
Dabei stellt sich die Frage, ob irgendwann dieser Ort grundlos nach den Römern benannt
wurde, ob die Römer
diesen Platz wie es sein Name andeutet zur Rast während eines
Durchmarsches genutzt haben, oder dass vielleicht dieser Ort eine viel
wichtigere Funktion während der römischen Anwesenheit auf
rechtsrheinischen Boden erfüllen musste. Die gesamte Gemarkung die den
Namen Römerrast trägt umfasst etwa 76 Hektar Fläche und verläuft etwa
über 1500 Meter parallel des linken Ufers der Neuen Issel.
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Die Lage von Römerrast |
Dieses Gebiet ragt wie eine
flache Halbinsel aus südlicher Richtung kommend, wenige Meter über
das normale Geländeniveau in das ehemalige feucht-nasse
Bruchgelände hinein, und bot sich sicherlich schon in
frühgeschichtlicher Zeit als durchgehend hochwasserfreie Stelle für
einen Lagerstandort an. Im nördlichen Bereich dieses Gebietes zeigt
sich am unmittelbaren Ufer des eingedeichten und begradigten Flusses
Issel, ein um 3 Meter höhergelegenes Plateau mit den Ausmaßen von etwa 250
Metern Länge und 150 Metern Breite. Die Form dieser Ebene ist von einer
vorspringenden Ausbuchtung an der nördlichen Breitseite abgesehen in
etwa rechteckig. Das Niveau dieser zur Zeit als Weideland genutzten Fläche liegt
um cirka 2,50 Meter höher als die daran anschließende Flussniederung und grenzt
sich in einem Winkel von etwa 35° von dieser ab. Die Ausmaße dieses Plateaus mit
seiner Grundfläche von zirka 3,7 Hektar ist durchaus vergleichbar mit einigen
kleineren römischen Militärlagern am Niederrhein. Markant in diesem
Zusammenhang ist die abgeschrägte Böschung zur Flussniederung hin die
auch für das ehemalige Römerlager in
Moers-Asberg charakteristisch war.
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Ausschnitt der Karte
Blegii Veteris
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Etwa 150 Meter südöstlich dieses Plateaus befindet
sich ein in der amtlichen Flurzeichnung als Grabenanlage
eingezeichnetes bewaldetes Areal in dem verschiedene teils
halbkreisförmig angelegte Erdwälle ein zentrales rechteckiges Plateau
einfassen. Der Durchmesser dieser Grabenanlage beträgt in der Ost-West
Richtung etwa 100 Meter und in der Nord-Süd Richtung annähernd 120
Meter. Beim Sturm Kyrill 2007 wurden an diesem Ort einige große Bäume umgeweht,
darunter auch ein Baum samt Wurzelteller etwa im Zentrum dieser Anlage.
Innerhalb und unterhalb der Wurzel befinden sich eine große Anzahl gebannter
Ziegel die offensichtlich einstmals ohne Mörtel verwendet wurden, denn es lassen
sich an den Steinen keine Mörtelreste erkennen. In der Geländestruktur zeichnen
sich Reste eines ehemaligen Wegedamms
ab, der offensichtlich vom Plateau des vermuteten
Römerlagers zum Areal dieser Erdwälle hinführt. Die
Gemarkung auf dem gegenüberliegenden Ufer nennt sich Tollberg und
bezeichnet durch seinen Namen eine einstmalige Zollstation an einer Grenze. In der Mitte
des zwölften Jahrhunderts wurde im Zollbezirk der Herrschaft Rees eine Tollborg in dieser Gemarkung bezeichnet und deutet
schon zu dieser frühen Zeit an eine
weitere Nutzung dieses Grenzüberganges hin. Der größte Teil
des Geländes Römerrast ist in der jüngeren Vergangenheit durch die
Kiesindustrie massiv abgegraben worden. Da diese Auskiesung andauert und auch
auf diesen Bereich ausgeweitet werden soll, könnte in naher Zukunft eine
archäologische Untersuchung dieses Areals unmöglich gemacht werden.
Vorbehaltlich einer genauen archäologischen Prospektion des
noch verbliebenen
Geländes unterliegt man unwillkürlich der Versuchung dieses Plateau in der
Gemarkung Römerrast schon aus Gründen der Bodenstruktur und der
strategischen Lage als den Standort eines ehemaligen Römerlagers zu
interpretieren. Danach
eröffnet sich die spannende Frage, wie sich dieses vermutete Römerlager in den
Kontext mit den Überlieferungen der antiken Autoren und den derzeitigen
geschichtswissenschaftlichen Resultaten stellen würde. Dabei eröffnen sich dem
Betrachter grundsätzlich neue Blickwinkel, die das
Bild der damaligen Ereignisse im Gegensatz zur heutigen vorherrschenden
Meinung in einer vollkommen anderen Perspektive erscheinen lassen.
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Römerrast in vergangenen
Untersuchungen
In
seiner Karte Belgii Veteris aus dem Jahr1584 zeichnete Abraham Ortelius
das untere Germanien während der Römerzeit, wobei er die germanischen
Siedlungsgebiete und verschiedene bedeutsame Örtlichkeiten nach seiner
Interpretation der ihm damals zur Verfügung stehenden Quellen einordnet.
Vetera
und
Neomagum verortet er an den exakten Stellen wo sie sich
tatsächlich befunden haben. Für andere Örtlichkeiten zieht er
offensichtlich in erster Instanz
Tacitus zur Lokalisierung heran. So
befindet sich ein Teutoburgum im niederländischen
Achterhoek, ein Teutoburgen sis Saltus im heutigen Münsterland, das Heiligtum der
Marser die Tamfana (Tac.Ann.I,49) bei Ahaus usw. Zudem beinhaltet diese Karte ein
bemerkenswertes Detail, denn Ortelius ordnet das Römerlager Aliso genau
an der beschriebenen Stelle Römerrast unmittelbar am linken Isselufer
ein. Da er sich aber bei der Zeichnung dieser Karte relativ genau an die
literarische Vorgabe des Tacitus gehalten hat, hätte er eigentlich
dieses Römerlager irgendwo an der Lippe einzeichnen müssen. Es sei denn
es gab für Ortelius einen triftigen Grund für die Lokalisierung dieses
Römerlagers an diesem Ort. Dass es zu der Zeit in der Ortelius diese
Karte zeichnete noch irgendwelche baulichen Überreste eines Römerlagers
an dieser Stelle gegeben hat scheint nicht wahrscheinlich. Jedoch
könnte es noch Überlieferungen in der Bevölkerung gegeben haben, die auf
einen ehemaligen römischen Stützpunkt an dieser Stelle hingewiesen
haben. So könnte sich auch eine andere Frage beantworten die für diese
Gegend noch offen steht. Nachdem das der Gemarkung Römerrast benachbarte
Werterbruch im hohen Mittelalter entwässert und somit Urbar gemacht
wurde, erhielt dieses Dorf seine eigene Gerichtsbarkeit. So hatte das
Gerichtssiegel von Werterbruch aus dem Jahr 1455, vielleicht auch schon
bedeutend früher, anfangs des vierzehnten Jahrhunderts als Motiv eine
Burg mit drei Türmen, wobei es sich hier mit großer Wahrscheinlichkeit
nicht um eine Abbildung der mittelalterlichen Wehranlagen von Werth, Aspel oder
einer anderen damals in der Nähe bestehenden Burg handeln kann. Denn diese
Burgen zierten sich mit anderen Motiven in ihrem Wappen. Und auch sonst gibt es
bisher keinen anderen schlüssigen Anhaltspunkt warum sich dieses Siegel mit
einer stilisierten Burg schmückte. So könnte sich dieses abgebildete Kastell auf
eine nahe gelegene ehemalige römische Befestigungsanlage bei Römerrast bezogen
haben, von der es damals noch bestimmende Überlieferungen aus der Bevölkerung
gab. Hier finden sich vielleicht weitere hinweisende Indizien
für ein ehemaliges römisches Kastell an diesem Ort Römerrast.
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Auszug aus der Deutschen Grundkarte /
Luftbildkarte 1:5000 / 1998
Kreis-Wesel/Marienfrede
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Auch
Professor Doktor Schneider machte sich Mitte des neunzehnten
Jahrhunderts die Mühe, eine Karte des ehemaligen Landkreises Rees während
der römischen Anwesenheit in dieser Gegend zu zeichnen. Dabei versuche
er die nach seiner Ansicht nach römischen Hinterlassenschafen die noch
in der Landschaft zu erkennen waren in seiner Karte einzutragen. In
dieser Landkarte finden sich demzufolge ehemalige Römerstrassen,
römische Gräber und Fundstellen römischer Artefakte eingezeichnet, wobei
nicht unbedingt sämtliche Angaben die er machte nach heutigen Maßstäben
repräsentativ sind. Aber Professor Schneider sah was durch das Studium
seiner Karte ersichtlich wird, gleichfalls auch in der Örtlichkeit
Römerrast den wahrscheinlichen Standort eines ehemaligen Römerlagers,
brachte ihn jedoch nicht mit dem Lager Aliso in Verbindung. So erkennt
man, dass auch schon in den vergangenen Jahrhunderten dieses Plateau in
der Gemarkung Römerrast mehrfach als ein mutmaßlicher Standort eines
ehemaligen römischen Kastells angesehen wurde.
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Römerrast/ Im
Vordergrund die Issel |
Der strategische Zweck von
Römerrast
Es eröffnet sich unweigerlich
die Frage nach dem strategischen Sinn für den Platz eines
Römerlagers an dieser Stelle. Nach dem frühen Tod von Drusus
verfolgte sein Nachfolger Tiberius eine andere Politik in Germanien,
die in ihrem Anfangsstadium nicht auf eine Ausdehnung der römischen
Gebiete ins rechtsrheinische Germanien, sondern auf die Sicherung
des neu eroberten Territoriums bis zum Rhein, gegen die Germanen
ausgelegt war.
Durch die Umsiedlung der
Sugambrer schaffte Tiberius einen
besiedlungsfreien Raum, der als Pufferzone zwischen den weiter östlich
lebenden Germanenstämmen und dem Rhein genutzt wurde. Gleichzeitig
diente dieses fruchtbare Gebiet als wichtiger Versorgungsraum für den
Unterhalt der römischen Armee. Durch das etwa zur Zeit der ersten
Statthalterschaft des Tiberius in Germanien errichtete Lager in Haltern,
war eine Kontrolle und Bewirtschaftung dieses Rheinvorlandes nur bedingt
möglich. Denn hier hatte man zwar einen festen Standort im germanischen
Landesinneren, zudem einen der sich an der so wichtigen Lippeschiene
befand, aber entlang des Rheines, nördlich der Lippemündung, musste aus
logischen taktischen Erwägungen noch ein weiterer Stützpunkt geschaffen
werden, um das rechtsrheinische Rheinvorland abzusichern.
Denn der Rhein
war damals ein nicht ohne bestimmte Voraussetzungen zu überwindendes
Annäherungshindernis und daher als Grenzlinie hervorragend geeignet.
Aber die Vergangenheit hatte gezeigt, dass es für die Germanen durchaus
möglich war mit einem Heer über diesen Fluss zu setzen, um auf der
linken Rheinseite die römischen Einrichtungen zu attackieren.
Denn Tacitus
schreibt in seiner Germania einen, die damalige Grenzsituation
beschreibenden Nebensatz
(Tac.Germ.32): „Den Chatten zunächst, wo der Rhein noch
ein festes Bett hat und als Grenzscheide genügt, wohnen die
Usiper und Tenkterer.“ Diese Aussage kann nur bedeuten, dass der Rhein etwa
von der Lippemündung an, wo er sich in ein Flussdelta mit
andauernden Flussbettverlagerungen verwandelt, nicht mehr als alleinige
Abgrenzung zum rechtsrheinischen Germanien genügte.
Um nun ein erneutes Eindringen germanischer Stämme in römisches
Gebiet zu vermeiden, war es aus verteidigungstaktischen Gründen für
die Römer erforderlich, auch einen Uferstreifen an der rechten
Rheinseite unter Kontrolle zu halten. Nur so waren die Römer in der
Lage, germanische Eindringungsversuche ins linksrheinische
Territorium frühzeitig zu erkennen und schon im Ansatz zu
unterbinden. Daher wäre es für die
römische Grenzsicherung wichtig gewesen, beim heutigen Loikumer Rott, an der Grenze des sich
dort anschließenden staunassen Bruchlandes, einen Stützpunkt zur
Überwachung und Absicherung dieses Gebietes zu errichten. Nördlich dieser
Gemarkung
war es für ein
feindliches Heer nicht mehr ohne weiteres möglich, durch das sich daran anschließende versumpfte Bruchgebiet, den Rhein zu erreichen. So mussten die Römer nur das Gebiet
von der Gemarkung Römerrast aus bis zur Lippe kontrollieren um ein
Eindringen eines germanischen Feindes frühzeitig zu erkennen und dem unverzüglich
entgegenwirken zu können.
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Die Wallanlage bei
Römerrast |
Die römischen Vormarschwege
Des
Weiteren ist es Aufschlussreich die mutmaßlichen römischen Vormarschwege
der Römer für ihre Vorstöße vom linken Niederrhein in die östlichen
Gebiete zu beleuchten. Die Lippe galt seinerzeit als eine der
wichtigsten Verkehrsadern ins rechtsrheinische Germanien. Über diesen
Fluss konnte für die Römer der Nachschub der Lippelager mit
Nahrungsmitteln und anderen Versorgungsgütern problemlos geschehen, und
auf ihr konnten im Gegenzug germanische Handelsgüter unkompliziert dem
römischen Warenkreislauf zugeführt werden. Doch um militärische Aktionen
durchzuführen, und damit Truppenteile schnell ins Landesinnere zu
bringen, eignete sich die Verschiffung nur begrenzt, da ein
Vorwärtskommen stromaufwärts um einiges zeitaufwendiger ist als der
schnelle Marsch oder die berittene Fortbewegung auf dem Landweg. Auch
wechselnde Wasserstände und Eisgang im Winter machten für die Römer eine
dauerhafte Wegeverbindung parallel zur Lippeschiene erforderlich, denn
selbst bei derartigen Umständen musste eine Kommunikation und die
Versorgung mit Nachschub gewährleistet sein. Eine einstmalige
Straßenführung im unmittelbaren Uferbereich dieses Flusses jedoch ist
wenig wahrscheinlich. Denn große Teile des Lippevorlandes waren damals
ein von stetig wechselnden Wasserständen geprägtes, und damit ein
teilweise versumpftes Überschwemmungsgebiet, in dem die Anlage und der
Unterhalt eines befestigten Weges, selbst für die Römer, ein schwierig
durchzuführendes Unternehmen gewesen wäre. Gleichzeitig würden dem
Wegeverlauf querende Talsenken mit den an ihrem Fuße fließenden
Bachläufen ein Vorwärtskommen beträchtlich erschweren. Auch
widerspräche eine derartige, dem Flussverlauf angepasste Wegführung, der
römischen Bauart ihrer straßenmäßigen Verkehrswege, denn im Normalfall
bemühten sich die Römer immer um eine Trassenführung in gerader
Linienführung. Daher mussten wahrscheinlich diese Vormarschwege weiter
landeinwärts angelegt werden, dort wo ein ungehindertes Vordringen durch
landschaftliche Vorraussetzungen besser gegeben war.
Es gab
dabei sicherlich beidseitig der Lippemündung Rheinübergänge und
Straßentrassen die ins Innere Germaniens führten, die den Römern bekannt
waren und auch von ihnen genutzt wurden. Ein genereller Marschweg,
parallel des Lippelaufes auf der linken Uferseite, wäre aber sehr
mühevoll und zeitaufwendig gewesen, und wäre dann auch nur über die
Wasserscheiden der Ruhr, Emscher und Lippe möglich, weil auch hier die
zahlreichen Bachläufe an den Berghängen einen zügigeren Vormarsch
behinderten. Da diese Wasserscheiden keine einheitlichen Höhenlinien
hatten, und in ihren Verlauf keineswegs in gerader Richtung zu den
angestrebten Lippequellen führten, wäre dieser Weg geprägt von einem
ständigen auf und ab und andauernden zeitaufwendigen
Richtungsänderungen. Diese Trassenführung war für das in der Regel
streng rational aufgebaute Straßennetz der Römer, als Vormarschweg,
wenig attraktiv. Da die Römer eine Vorliebe für einen geraden
hindernisfreien Straßenverlauf hegten, um so auf schnellsten Wege mit
ihren Truppen zu einem Ort zu gelangen, konnte nur auf der
rechtslippischen Uferseite eine derartige Trassenführung gewährleistet
werden. Denn aufgrund der topografischen Verhältnisse gibt es hier nur
sanft ansteigende Geländekonturen, deren Überwindung keine Schwierigkeiten für die
römischen Legionen darstellte.
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Bild
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Umgewehter Wurzelteller innerhalb
der Wallanlage
Hinweis für Sondengänger:
Dieses Gelände wurde bereits
mehrfach untersucht und dadurch teilweise zerstört!
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Spätestens bei der Anlage des
Halterner Lippekastells musste ein neuer
Landweg zu diesem Lager angelegt werden. Da dieser neu errichtete
Römerstützpunkt seinen Standort auf der rechten Lippeseite hatte, müsste
ab diesem Zeitpunkt auch eine dauerhafte Zuwegung auf dem Gebiet rechts
der Lippe wahrscheinlich sein. So zog sich wahrscheinlich eine erste
Wegetrasse von der vermuteten Rheinübergangsstelle bei Flüren entlang
des Drevenackers Flugsandhöhenrückens, entlang der Lippe über Schermbeck,
Holsterhausen nach Haltern. Das Marschlager in
Holsterhausen
mag im
Zusammenhang mit den frühen Vorstößen der Römer auf diese Marschstrecke Lippeaufwärts in Flussnähe hindeuten, aber durch seine
jeweilige nur kurzzeitige
Belegungsdauer ist zu erkennen, dass sich diese Streckenführung für die
Römer als wenig Attraktiv erwies. Denn bei dieser flussnahen Trasse waren die
Talsenken bei Schermbeck, Holsterhausen und Hervest durch ihre
Steigungen und ihr Gefälle, sowie der staunassen Geländestruktur in
ihren Becken, für eine dauerhaft und durchgängig benutzbare Wegetrasse
nicht vorteilhaft. Aber gerade vom vermuteten Römerlager Römerrast
aus
bestand seinerzeit die Möglichkeit das Lager in Haltern auf dem direkten
Landweg, ohne die Überwindung lästiger Geländehindernisse zu erreichen.
Dazu war nur nach der
Rheinquerung bei Flüren, ein Weg wenige Kilometer
nach Norden über die leicht erhöhte Halbinsel die in das Isselbruch
hineinragt erforderlich, um dann ab der Gemarkung Römerrast den Weg nach
Osten einzuschlagen. Es ist aber auch denkbar, dass hier auch ein
Rheinübergang an der Mehrer Halbinsel in Frage kam, wobei dann der Weg
zum Lager bei Römerrast über den Flugsandrücken bei Mehrhoog und dann
durch das feucht-nasse, und damit schwer zu durchquerende Isselbruch
führen konnte.
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Die
Entfernung zwischen Römerrast und Haltern beträgt etwa 40 Kilometer auf
gerader Strecke, so dass dieser Weg bei Bedarf an einem Tag durch einen
Gewaltmarsch zurückgelegt werden konnte. Aber würde man die normale
Tagesmarschdistanz von etwa 20 Kilometer rechnen, so hätten seinerzeit
die Menschen die Haltern erreichen wollten, auf halber Strecke auf dem
Weg zu diesem Lippelager an einer Etappenstation rasten müssen. Hier
gibt es ein weiteres Indiz, das auf eine derartige Wegführung hinweist.
Auf der gedachten geraden Linie zwischen der Gemarkung Römerrast und
Haltern befindet sich genau auf der Hälfte der Wegstrecke das heutige
Städtchen
Raesfeld, dessen Name auch als Rastfeld gedeutet werden kann.
Und denkt man sich diese Linie von der Gemarkung Römerrast ausgehend
weiter über Haltern hinaus, so erreicht diese Gerade auf direktem Weg
das wenige Jahre nach Haltern errichtete Legionslager in
Dellbrück-Anreppen. Weiterhin ist anzunehmen, dass vom Standort
Römerrast auch ein Weg in nordöstlicher Richtung abzweigte, der durch
das Münsterland bis zur Ems führte.
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Vorläufiges Fazit
Durch
diese Betrachtungen erkennt man, dass ein römischer Stürzpunkt in der
Gemarkung Römerrast aus verschiedenen strategischen Erwägungen äußerst
sinnvoll war, und man muss vorbehaltlich genauerer archäologischen
Untersuchungen von der Tatsache ausgehen, dass sich hier wirklich
einstmals ein römisches Standlager befunden hat. Die Frage welche
Dimensionen dieses Römerlager in welchen Zeitabschnitten hatte und wie
lange dieses Lager belegt war, muss vorläufig unbeantwortet bleiben. Ob
es sich damals hier um ein Legionslager handelte darf bezweifelt werden,
denn obwohl sich jetzt nur der letzte Grundriss des Lagers in der
Landschaft andeutet, der allenfalls für ein kleineres Kastell einer
Auxillareinheit geeignet war, ist es nicht wahrscheinlich, dass in einer
derartigen Nähe zu den Legionsstützpunkten Vetera und Haltern ein
weiteres großes Legionslager bestand hatte. Auch über die Belegungsdauer
kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur spekuliert werden. Aber es ist
denkbar, dass dieser Stützpunkt noch weit nach den Germanicusfeldzügen
von den Römern genutzt wurde, denn das Gebiet an der rechten Rheinseite
diente weiterhin zur Versorgung der Legionen, und wurde von ihnen noch
lange Zeit danach von allen Besiedlungsversuchen der Germanen
freigehalten. Um dieses zu gewährleisten musste mindestens noch ein
römischer Stützpunkt zur Überwachung dieses Gebietes, auf
rechtsrheinischem Gebiet weiter bestehen.
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Film
vom mutmaßlichen Lagerplatz Römerrast |
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