Wenige
Jahre nach der Zeitwende plante Augustus, den Geltungsbereich des
römischen Imperiums bis zur Elbe auszuweiten und entsandte Tiberius
erneut nach Germanien um diese Zielsetzung zu verwirklichen. In diesem
Zusammenhang steht die Gründung des Legionslagers in Delbrück-Anreppen in den Jahren 4/5 n. Chr. im Mündungsgebiet der Glenne. Dieses Kastell ist das östlichste alle bisher entdeckten
Lippelager und diente mit seiner 23 Hektar (750X330 Meter) großen
längsovalen Grundfläche der Aufnahme von einer Legion. Von den
einstmaligen Truppenkontingenten liegen keine Zeugnisse vor, so dass man
bisher über die einstmalige Belegung nur spekulieren kann. Durch den
archäologischen Nachweis eines außerordentlich prachtvollem Prätoriums
muss man davon ausgehen, dass sich Tiberius während seiner zweiten
Statthalterschaft höchst selbst in diesem Lager aufhielt und diesen
Stützpunkt als Ausgangsposition für seinen Vorstoß ins östliche
Germanien benutzte. Diese Vermutung erhält ihre Bestätigung durch die
ummittelbar an der Lippe positionierte Lage dieser Festung und die im
Gegensatz zum etwa gleichgroßen Halterner Hauptlager vermehrt
auftretenden Speichergebäude im Lagerinneren. Von hier wurden
augenscheinlich die zur Elbe vordringenden Legionen mit Nachschub
versorgt und gleichfalls sollte dieses Kastell bei dem geplanten Markomannenfeldzug eine ähnliche Funktion erfüllen. Der Aufstand in
Pannonien im Jahr 6 erforderte eine militärische Umgestaltung, woraufhin
das Vorhaben der römischen Expansion bis zur Elbe zurückgestellt
werden musste. Ein Festhalten der Römer an diesem Lagerstandort trotz
der wichtigen militärischen Zusammenziehung im neuen Aufstandgebiet mag
als Indiz dafür gelten, dass einerseits die politischen Umstände im
Lippequellgebiet eine derartige militärische Konzentration erforderlich
machte und andererseits die Römer ihren Expansionsversuch bis zur
Elblinie noch nicht aufgegeben hatten. Der Endzeitpunkt dieses Lagers
fällt wie beim Halterner Lippekastell in das Jahr 9 unserer
Zeitrechnung und steht gleichfalls in Verbindung mit der Niederlage der
Varuslegionen. Ob dieses Lager von den Römern aufgelassen wurde oder
dieser Stützpunkt von germanischen Verbänden erobert wurde ist in der
Wissenschaft noch umstritten, jedenfalls wurden die Lagerbauten ein
Opfer der Flammen und wurden danach nicht wieder errichtet.