Die römischen
Rheinübergänge
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Auf der
Basis dieser hier herausgestellten römerzeitlichen Gewässerverläufe von
Rhein, Lippe und Issel (Ijssel) lassen sich nun die mutmaßlichen
Rheinübergänge der römischen Heere aufgrund der historischen
Überlieferungen, topographischen Umstände und strategischen Überlegungen
erarbeiten. Für den ersten Vorstoß in die Gebiete jenseits des Rheines
unter Drusus stehen uns leider nur die unsicheren Ortsangaben des
Cassius Dio zur Verfügung. So zieht nach seiner Angabe Drusus im Jahr 12
v. Chr. von der Bataverinsel aus, durch das Gebiet der Usipeter und der
Sugambrer und verwüstete es. Da am Niederrhein während der ersten
römischen Anwesenheit zwei mächtige Legionsfestungen, Vetera und
Noviomagus bestanden, müsste demnach der Rhein im Einflussbereich dieser
Kastelle überquert worden sein. Durch das Vorhandensein des Drususkanals
und der Tatsache dass Drusus anschließend mit einer Flotte gegen die
Friesen und Chauken zieht, ist es wahrscheinlich dass dieser erste
Feldzug den Sinn hatte, diese neue Wasserstrasse landseitig abzusichern.
Demnach scheint einerseits ein Übergang im Gebiet des heutigen Arnheim
mit Zugrichtung in die Hooge Veluwe hinein, und andererseits eine
Rheinüberquerung bei Vetera mit dem Einsatzgebiet im heutigen
nordwestlichen Westfalen wahrscheinlich.
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Mutmaßliche römische Rheinübergänge
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Der
zweite Angriff des Drusus im Jahr darauf zielte wiederum zuerst gegen
die Usipeter, die dabei nach der Angabe des Dio unterworfen wurden.
Anschließend betont Dio eine Lippeüberbrückung, bevor Drusus durch das
Gebiet der Sugambrer bis zur Weser zieht. Diese Rheinüberquerung sollte
nach diesen Angaben südlich der heutigen Lippe, und als weitere
Wegführung über die Wasserscheiden zwischen Lippe, Emscher und Ruhr
erfolgt sein. Die Brücke über die Lippe baute Drusus vermutlich im
Gebiet des Lippeknies bei Oberaden, denn hier errichtete der römische
Feldherr im weiteren Verlauf dieses Feldzuges das archäologisch
Nachgewiesene erste Standlager auf rechtsrheinischen Boden. Da dieses
Kastell auf der linken Lippeseite errichtet wurde, scheint allein eine
Zuwegung auf dieser Lippeseite wahrscheinlich. Die weiteren beiden
Feldzüge des Drusus in den Jahren 10 und 9 v. Chr. bei denen er sogar
bis zur Elbe vorgedrungen sein soll, wurden wahrscheinlich vom
Legionslager Mainz ins Landesinnere vorgetragen.
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Für die
Zeit nach dem überraschenden Tod des Drusus und der Aufgabe des
Lagerstandortes Oberaden fehlen uns bedauerlicherweise schriftliche
Quellen über weitere Vorstöße in rechtsrheinische Gebiete am
Niederrhein. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass es auch
anschließend bis zu der Anlage fester Lagerstandorte auf der rechten
Rheinseite, zumindest noch partielle Vorstöße der Römer jenseits des
Rheines gegeben haben muss. Zeugnisse dieser zeitlich begrenzten
Aktivitäten an der Lippe sind an den Marschlagern Holsterhausen und
Haltern festzumachen die von durchziehenden römische Armeen errichtet
wurden. Da diese nur kurzzeitig belegten Römerlager auf der rechten
Lippeseite errichtet wurden, ist davon auszugehen, dass schon zu diesem
Zeitpunkt, spätestens jedoch bei dem Bau des Standlagers in Haltern,
welches ebenfalls am rechten Lippeufer errichtet wurde, ein dauerhaft
genutzter Rheinübergang nördlich der Lippemündung existiert haben muss.
Von dieser Übergangstelle aus, müsste es eine permanent genutzte
landseitige Wegeverbindung bis zum Halterner Lager, parallel der Lippe
gegeben haben, denn der Verkehr zu diesem Lager kann nicht nur auf der
Lippe geschehen sein. Für den Transport gewisser Güter eignete sich die
Verschiffung über die Lippe zu den Lagern hervorragend, jedoch werden
einzelne Truppenteile über den Landweg zu ihren Standorten marschiert
sein.
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Für die
eigentliche Rheinübergangstelle rückt ein Ort in den genaueren Fokus der
Überlegungen, der sich aufgrund seiner topographischen Eignung für einen
Anlandungspunkt an der rechten Rheinseite anbietet. Dabei handelt es um
das Gebiet der Flürener Halbinsel, gegenüber dem Xantener Fürstenberg,
auf dem die Römer das Legionslager Vetera erbauten. Hier unterhalb der
heutigen Lippemündung, auf dieser in das Rheinvorland hineinragenden
Halbinsel, bot sich ein idealer Anlandungspunkt für die jenseits des
Rheines lagernden römischen Legionen. Von hier aus konnten einzelne
Heeresabteilungen oder ganze Legionen auf dem kürzesten Weg entlang der
Lippeschiene ins Landesinnere vordringen. Dass es auf dieser Landzunge
römische Aktivitäten gegeben haben muss, belegen mehrere Übungslager die
an diesem Ort nachgewiesen werden konnten, wobei die zeitliche
Einordnung für diese aus Manöverzwecken angelegten Lagerplätze unsicher
datierbar ist.
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Einschränkend für diese angenommene Übergangsstelle, ist hier das
Zusammentreffen der Flüsse Rhein und Lippe oberhalb dieses
Anlandungspunktes, und der gleichzeitigen Engstelle im Rheinvorland
zwischen Fürstenberg und Flürener Halbinsel zu nennen. Hier mag es in
Hochwasserzeiten zu vermehrtem Strömungsaufkommen und Überflutungen
gekommen sein, was eine Rheinquerung und Anlandung an diesem Ort bei
diesen Vorraussetzungen sicherlich erschwerte. So würde sich im
Gegensatz zur beschriebenen Querung eine Alternativroute wenige
Kilometer weiter Rheinabwärts angeboten haben. Bei dieser
Alternativquerung handelt es sich um die schon voran angesprochene
Mehrer Halbinsel die von der Langen Renne durchschnitten wird. Auch hier
handelt es sich aufgrund seiner topographischen Verhältnisse um einen
für einen Rheinübergang überaus günstigen Ort, denn hier fanden die
Römer gleichfalls ein stets hochwasserfreies Gelände vor, was für einen
fortwährend nutzbaren Anleger unabdingbar war. Bei einem Übersetzten vom
Hafen an der Pistley zum gegenüberliegenden Ufer auf der Mehrer
Halbinsel wäre diese zweite Variante die die römischen Schiffe über das
Flusssystem des Rheines zurücklegen mussten, zudem einfacher und kürzer.
Und auch hier gibt es ein hinweisendes Indiz für einen römischen
Aufenthalt an dieser Landzunge.
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Dabei
handelt es sich um einen verbürgten alten Wehrturm, der in der Nähe des
heutigen Kruisdickshofes, im Bereich der am zweckmäßigsten erscheinenden
Anlandungsstelle für einen Rheinübergang einstmals gestanden hat. Dieser
Turm wurde leider um das Jahr 1820 abgerissen, und es sind keine
sichtbaren Überreste oberirdisch in der Landschaft erkennbar. Aber die
Beschreibungen die uns von diesem Gebäude überliefert wurden, lassen auf
eine römische Herkunft schließen. Doktor Friederich Bird beschreibt uns
diesen Turm in seiner Schrift “Über die Bedeutsamkeit der Gegend des
Niederrheins zur Zeit der römischen Herrschaft“ das 1826 er schienen
ist. „Vor vier Jahren hat man daselbst (beim Kruisdykshof) ein
Gebäude eingerissen, das wahrscheinlich römischen Ursprungs war. Es war
ein viereckiger Thurm, der aus fünf Stockwerken bestand; und in welchem
der innere Durchmesser jeder Etage 12 Fuß rheinländischen, der Breite
und Länge halten mochte. Jede Etage hielt über 7 Fuß Höhe und die
untere, um vieles höher aufgemauerte, bestand aus einer einfachen, sehr
starken Mauer. Die 2.3.4. und 5. Etage aber, waren sämtlich in Bogen
erbaut, so dass das Ganze einst eine Menge von Fenstern hatte, die
wahrscheinlich zur Verteidigung gedient.“
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Obwohl
dieser Bericht nicht mehr nachprüfbar ist, könnte diese
Gebäudebeschreibung auf einen römischen Beobachtungs- und Wachturm
hindeuten, der den Zweck hatte das Hinterland zu überwachen und
gegebenenfalls Signale zur gegenüberliegenden Rheinseite zu übermitteln.
Dieser Standort ermöglichte eine freie Sichtverbindung zum Lager Vetera,
das in direkter Linie etwa 8 Kilometer entfernt war, so dass von hier
aus für die Römer eine Kommunikation, in irgendeiner Weise, über den
Rhein möglich war. Die Beschreibung des Wehrturmes weicht von den
Wachtürmen die am Limes errichtet wurden in einem Detail ab. Denn hier
handelt es sich nach archäologischen Ergebnissen zwar auch um auf ihrer
Basis fast quadratische Türme mit ähnlicher anzusetzender Grundfläche.
Im Gegensatz zu dem beschriebenen Turm waren die Limestürme jedoch
Dreigeschossig und nicht wie dieses Gebäude auf fünf Etagen ausgebaut.
Diese Differenz lässt sich vielleicht mit der besseren Übersicht durch
eine erhöhte Beobachtungsposition erklären, wodurch ein umso größeres
Gebiet überwacht werden konnte. Zum Zeitpunkt seins Abrisses hätte es
sich bei diesem Turm in dieser Form um den letzen Ausbaustand gehandelt,
wobei sich dieses Gebäude, wenn dieser Standort schon in der Frühzeit
der römischen Germanenintervention für einen Wachturm genutzt wurde,
sich in zu der Zeit üblichen Holzbauweise präsentiert hätte. Aber durch
die Steinbauweise ist gleichzeitig ersichtlich, dass dieser Turm, wenn
er denn römischen Ursprungs war, bis in die spätere Römerzeit als
Wachturm genutzt wurde, und die Römer auch noch weit nach den
Germanicusfeldzügen an der echten Rheinseite anwesend und aktiv waren.
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Die römischen Rheinbrücken
Bei
diesen voran beschriebenen Rheinübergängen wurde von einer Flussquerung
mit Schiffen oder gar mit speziellen Fähren ausgegangen, jedoch gab es
auch feste Brücken über den Rhein die von den Römern während ihrer
Germanienintervention erbaut wurden. Dabei gibt es drei Darstellungen
von römischer Seite über einen Brückenbau über den Rhein. Die erste
Erwähnung einer Rheinüberbrückung, sind die Beschreibungen von Julius
Caesar für den gallischen Krieg, in deren Verlauf er den Rhein über eine
feste Brücke überquerte. Diese Rheinüberquerung im Jahr 56-54 vor der
Zeitwende, fand wahrscheinlich im Gebiet der Ubier am Mittelrhein statt
und ist für diese Untersuchung von zweitraniger Bedeutung. Die zweite
Aussage, wo von einem Brückenbau über den Rhein berichtet wird, findet
sich bei Tacitus, als er für das Jahr 14 nach Christus von einer
Schiffbrücke berichtet, die Germanicus dazu benutze um überraschend in
das Gebiet der Marser einzufallen. Diese Pontonbrücke aus seitlich
aneinandergebundenen Schiffen, ist wahrscheinlich im Bereich zwischen
Emscher und Ruhr über den Rhein geschlagen worden, und bestand
sicherlich nur für den kurzen Zeitraum der spätsommerlichen Intervention
auf rechtsrheinischem Gebiet. Für das darauf folgende Jahr berichtet uns
Tacitus, dass Agrippina, die Frau des Germanicus, am Kopf der
Rheinbrücke die zurückkehrende Heeresabteilung von Caecina erwartete.
Gleichzeitig verhinderte sie, dass diese Brücke aus Furcht vor einem
Germaneneinfall abgerissen wurde. Ob es sich hier einstmals um ein
festes Brückenbauwerk handelte, oder ob bei dieser Konstruktion auch
eine Schiffsbrücke errichtet wurde, gibt die Überlieferung nicht her.
Aber es ist denkbar, da Germanicus, zu der Zeit als die Brücke bestand,
mit einer großen Flotte zur Ems gefahren war, dass nicht ausreichend
Schiffe zur Verfügung standen, um aus ihnen eine geeignete Schiffbrücke
über den Rhein zu bauen. Auch wäre es ein leichtes gewesen eine
Pontonbrücke innerhalb kurzer Zeit abzureißen, so dass es sich bei den
Befürchtungen der Römer, die Germanen könnten ihrerseits über diese
Brücke den Rhein überqueren, nur um die Befürchtungen bei einem festen
Bauwerk handeln kann. Also könnte diese Brückenkonstruktion für eine
dauerhaftere Benutzung, mit fest im Flussbett verankerten Pfeilern, von
gleicher Bauart wie die Brücke die von Julius Caesar in seiner
Darstellung des Gallischen Krieges, beschrieben wurde.
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Da sich
der Vorstoß von Germanicus im Jahr 15 gegen die Germanen im Gebiet
zwischen Ems und Rhein richtete, müsste diese Brücke logischerweise
nördlich der Lippemündung über den Rhein gebaut worden sein, denn hier
war das vorrangige Einsatzgebiet der römischen Legionen. Ein Zeugnis
über eine Brückenachse vom Fürstenberg aus zum gegenüber liegenden Ufer
bei Flüren haben wir aus der jüngeren Vergangenheit. Denn der Kanoniker
Stephan Phigius (1520-1603) sah noch unterhalb des Fürstenbergs, in Höhe
der heutigen Schönen Aussicht an der B 57, mit seinen eigenen Augen
Reste von Fundamenten und Grundpfeilern, und im 17 – 18 Jahrhundert
konnte man dort bei Niedrigwasser Holzpfähle im ehemaligen Flussbett
erkennen. Es ist aber unwahrscheinlich dass diese Rheinbrücken für einen
dauerhaften Bestand angelegt wurden. Von den Schwierigkeiten abgesehen
diese Brücken beständig gegen Treibgut und Eisgang zu schützen, und sie
selbst bei hohem Wasserstand passierbar zu halten, war es zu risikoreich
einen festen Rheinübergang zu errichten, der unter Umständen seinerseits
von den Germanen für einen Einfall in linksrheinisches Gebiet benutzt
werden könnte.
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