Überlieferung durch Ortsbezeichnungen

Unser gesamtes Wissen über die einstmaligen Abläufe während der römischen Okkupationsbemühungen, beruht einzig auf den Überlieferungen römischer Geschichtsschreiber, die natürlich ihre persönlichen Auffassungen aus national geprägter Sichtweise wiedergegeben haben. Von germanischer Seite sind hingegen noch keine Berichte über die Varusschlacht oder etwa parallele und periphere Ereignisse bis in die heutige Zeit gelangt, und es ist abzusehen, dass es auch in Zukunft keine derartigen Belege geben wird. Es gibt möglicherweise in der Edda, dem nordischen Gedichtwerk, einige Andeutungen die mit dem Geschehen während der römischen Anwesenheit in Germanien zusammenhängen, doch sind diese undeutlichen Zeugnisse für eine differenziertere Darstellung der einstmaligen Ereignisse und eine konkrete Ortsbestimmung nicht zu verwerten. Es wurden auch Parallelen zwischen Arminius und dem Siegfried, aus der gleichnamigen Sage, hergestellt. Zwar bietet der Herkunftsort von Siegfried, die Stadt Xanten, und sein Kampf gegen einen lang gestreckten Lindwurm, der gelegentlich als die Marschkolonne des Varus gedeutet wurde, gewisse Indizien die ihren Ursprung in dieser Vergangenheit haben könnten, aber auch dieses literarische Werk bietet viel zu große Unwägbarkeiten, als dass es für eine Einordnung bei diesen hier behandelten Fragestellungen geeignet wäre.

Google Ansicht Achterhoek:

 
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Eine germanische Überlieferung vom Sieg des Arminius über die römischen Legionen könnte sich aber sehr wohl an anderen germanischen Stellen niedergeschlagen haben. Nämlich in den später, nach gewissen Ereignissen von den dort siedelnden Einheimischen benannten Plätzen und Orten. Dort wo sich gewisse herausragende Begebenheiten des Schlachtgeschehens, und anderer damit zusammenhängender Ereignisse ereignet haben, ist es möglich, dass diese Geschehnisse durch eine anschließende hinweisende Benennung dieses Ortes die Zeiten überdauert haben. Dabei sind einzelne Ortsbezeichnungen die durch ihre Kennzeichnung auf das Schlachtgeschehen hinweisen könnten, singulär für sich stehend, nicht unbedingt sehr aussagekräftig, aber die Konzentration von Ortsbenennungen in diesem deutsch-niederländischen Grenzgebiet, die durch hinweisende Bezeichnungen im Zusammenhang mit der Varusschlacht stehen könnten, liefern zusätzlich ein gewichtiges Indiz für die Niederlage der Varuslegionen im niederländischen Achterhoek. 

Damit eine Ortsbezeichnung die einmal zur Römerzeit aufgestellt worden ist, bis in eine Zeit, wo diese schriftlich niedergelegt wurde, in der namentlichen Benutzung der Bevölkerung überdauern kann, sind mehrere Faktoren entscheidend. Zuerst muss das Ereignis, dem diese Bezeichnung zugrunde liegt, außergewöhnlich und tiefgreifend gewesen sein. Bei der Varusschlacht trifft dies zweifelsohne zu, denn die Niederlage der Römer hat bei den Germanen sicherlich einen so nachhaltigen Eindruck hinterlassen, der sich der sich in einigen Ortsbenennungen wo sich bestimmte Ereignisse zugetragen haben, niedergeschlagen haben sollte. Des Weiteren müssen die Einwohner und deren Nachkommen, die diesen Ort nach einer Begebenheit im Zusammenhang mit der Varusschlacht benannt haben, bis zur schriftlichen Erfassung der Ortsbezeichnungen, fortlaufend sesshaft geblieben sein, damit sie ihre Ortsnamen durch die Generationen weiterführen konnten.

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Ortsbezeichnungen zur Varusschlacht

Hinweisende Ortsbezeichnungen

Der Achterhoek war damals mit seinen feuchten sumpfigen Bruchniederungen und häufigen Überflutungen durchzogenen Gebiet für eine feindliche Landnahme wenig wertvoll, und ist deshalb in der Frühzeit unserer Geschichte, bevor dieses Land entwässert und urbar gemacht wurde, von großen Eroberungsversuchen verschont geblieben. Dass es sich hierbei in alter Zeit um einen äußerst abgelegenen und unzugänglichen Landstrich handelte, macht schon seine Bezeichnung deutlich. Denn das Wort Achterhoek setzt sich aus zwei niederländischen- niederdeutschen Wörtern zusammen (achter= hinter, nach hinten/Hoek= Ecke, Winkel), und kann damit eindeutig hinweisend als hinterster Winkel übersetzt werden. Hier boten sich ideale Vorraussetzungen um Ortsbenennungen die Zeiten überdauern zu lassen. War das Wissen um die Ursache der damaligen Benennungen in der Bevölkerung auch vollständig in Vergessenheit geraten, so war es hier doch trotzdem möglich, dass die Bewohner im Laufe der Jahrhunderte einige ihrer damals im Bezug auf die Varusschlacht aufgestellten Ortsbezeichnungen bis in die heutige Zeit überliefert haben. Und betrachtet man sich die Ortsbenennungen im rechtsrheinischen niederländisch-deutschen Grenzgebiet genauer, dann fallen die massiven Häufungen der Ortsnamen auf, die möglicherweise im Zusammenhang mit der Varusschlacht stehen, und die bisher keiner anderen Herkunft zugeordnet werden konnten. Hierbei handelt es sich um Wortkompositionen die in sehr alter Zeit aufgestellt wurden, und die neben einem grundsätzlichen Bestimmungswort noch ein signifikantes auf ein Ereignis, eine Person oder eine andere  hinweisende zusätzliche Bezeichnung beinhalten.

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Terborg Teutoburg Varusschlacht

Hügel in der Stadt Terborg

Eines dieser Bestimmungswörter ist das Wort Feld welches im Niederdeutschen ursprünglich unbewaldete Fläche bedeutete. Kompositionen mit diesem Wort finden sich in dem bezeichneten Gebiet mehrfach, wobei an erster Stelle die Stadt Varsseveld zu nennen ist. Der Name dieser Kleinstadt im Achterhoek, dessen erstmalige schriftliche Benennung aus dem Jahr 823 stammt und Wazovelde genannt wurde, könnte bedeutungsvoll als Varusfeld interpretiert werden, und damit auf einen Lagerplatz oder Kampfplatz des Römischen Statthalters hinweisen. Etwa zehn Kilometer südlich von Varsseveld, im deutschen Anholt, im Dreieck zwischen dem Regnieter Bach und der Issel gibt es die annähernd 10 Hektar große, Gemarkung Dwarsefeld. Ein im Vergleich zur angrenzenden Isselniederung höher gelegenes und relativ ebenes Areal. Zwar lautet die deutsche Übersetzung vom niederländischen Dwars, Quer, aber trotzdem erinnert diese Ortsbezeichnung von seiner Wortähnlichkeit her, auch hier an ein Varusfeld. Weiterhin gibt es im Achterhoek noch das Städtchen Warnsfeld unmittelbar am rechten Ijsselufer welches von seiner Vorsilbe auch an ein Varus erinnert und wenige Kilometer Flussabwärts auf der linken Ijsselseite die Stadt Wapenfeld lässt durch das Vorwort Wapen = Waffen an einen ehemaligen Kampfplatz zwischen Römern und Germanen denken.

Der Drususaltar

Die Kampftaktiken

Der Verlauf der Varusschlacht

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Nordöstlich von Varsseveld, gibt es den Ort Harrefeld. Dieses Dorf, das in frühester Beurkundung Harvelt genannt wurde, erinnert in seiner Vorsilbe „Har“ an ein „Ar“, welches auch für eine Abkürzung von Arminusfeld sprechen könnte. Hier mag sich einstmals der Platz befunden haben, wo Arminius mit seinem Heer die römischen Legionen erwartete, und die ersten vorentscheidenden Attacken gegen das Varusheer vortrug. Auch das westfälische Städtchen Raesfeld ließe sich wie in einem vorangegangenem Kapitel beschrieben, mit einem Feld auf dem die Römer einstmals rasteten interpretieren.

 

Weiterhin gibt es auch andere Orte im deutsch-niederländischen Grenzgebiet die in ihrer Vorsilbe ein „Var“ tragen, und an eine Verbindung mit dem römischen Statthalter glauben lassen. So sind noch die Ortschaften Vardingholt, Varssel und Varsselder zu erwähnen, und auch das Dorf Vrasselt erinnert in seiner Wortkomposition an einen Zusammenhang mit dem Namen Varus.

 

Ein anderes Bestimmungswort welches im Gebiet des Achterhoeks mehrfach vorkommt ist das Wort Heim, Hem oder  Eym, was aus dem Niederdeutschen übersetzt soviel wie Heim oder Siedlung bedeutet. Die Stadt Doetinchem im Achterhoek wurde zum ersten Mal im Jahr 838 unter dem Namen Villa Duetinghem als eine Ansiedlung mit einer Kirche schriftlich erwähnt. Diese Ortsbezeichnung lässt sich als ein Totenheim deuten, und nährt die Vermutung dass hier die gefallenen germanischen oder römischen Krieger bestattet wurden. Eine ähnliche Bedeutung kann man eventuell auch der wenige Kilometer östlich gelegenen Stadt Zelhem zuweisen. Diese Gemeinde die im Jahr 801 zum ersten Mal als Platz Saleheim schriftlich genannt wurde, kann zur Germanenzeit das Seelenheim der getöteten Arminiuskrieger gewesen sein. Hier befanden sich möglicherweise auch einstmals die Totenhaine, von denen uns Tacitus berichtet, in denen die gefangen genommenen Römer nach der Schlacht geopfert wurden.

 

Die Stadt Arnheim, am westlichen Rand der Hogen Veluwe, am rechten Ufer des niederländischen Rheins, erhielt seine erste schriftliche Erwähnung im Jahr 893 als eine Gemeinde mit einer Kirche, und einigen Gehöften unter dem Namen Arneym. Hier mag damals zur Römerzeit das Heim oder das Reich des Arminius gelegen haben, dass sich von hier aus über die ganze Hooge Veluwe ausbreitete.

 

Das niederdeutsche Wort Burg oder Borg beschreibt eine befestigte Ansiedlung und ist an der Oude Ijssel zwei Mal vertreten. So zählt als weiteres hinweisendes Indiz für die Varusschlacht in diesem Gebiet der Namen der Stadt Terborg. Es scheint wahrscheinlich, dass sich hier auf dem, mitten in der heutigen Stadt gelegenen, und das umliegende Gebiet überragenden Hügel, der als Stauchendmoräne von der letzten Eiszeit zurückgelassen wurde, in früherer Zeit eine Germanenburg befand, die als Namensgeber für den bei Tacitus erwähnten Saltus Teutoburgiensis gelten kann. Denn schon im zwölften Jahrhundert wurde in dieser Örtlichkeit am Ufer der Alten Ijssel eine Burg der Herren von Wisch als „ter burght“ erwähnt. Und auch die Stadt Doesburg an der Mündung der Ouden Ijssel in die Ijssel könnte in ihrer Ursprungsbedeutung der Namensgeber für die als Teutoburger Wald übersetzte Textstelle bei Tacitus sein.

 

Der Rominendyk (Römerdeich) der sich von Aalten herab über ca. 7 Kilometer in gerader Linie zwischen Varsseveld und Harrefeld vorbei in den Achterhoek zieht, gibt einen eindeutigen Hinweis auf die Anwesenheit der Römer in diesem Gebiet. In seiner Verlängerung führt er über den schon beschriebenen Flugsandrücken auch an den Orten Heelweg West- und Ost vorbei. Dieses genannte Heelweg lässt auf einen alten Handelsweg schließen, was durch den Flugsandrücken bestätigt wird, der als natürliche langgezogene Düne in der feuchten Niederung, tief in den Achterhoek hinein, und seinerzeit als Wegtrasse durch das sumpfige Umland führte.

 

Als weitere Ortsnamen, die vielleicht durch Ereignisse im Verlauf der Varusschlacht entstanden sind, kann man folgende Örtlichkeiten ansehen obwohl diese Deutungen unsicher sind. Der Reeser Ortsteil Millingen soll seinen Namensursprung von dem Wort Milla haben, dass die Römer ausgesprochen haben sollen, als sie den tausenden germanischen Kriegern gegenüber standen. Der Name eines anderen Reeser Ortsteiles Bienen leitet sich von der erstmaligen Ortsbenennung Beenenhorst ab. Hier sollen nach der Überlieferung einstmals die Gebeine von vielen Erschlagenen am Wegesrand gelegen haben. Zusätzlich in Frage kommen noch die Orte Heelden (Helden?), Heeren (Heere?) und Haldern (ebenfalls Helden?), die ihren Benennungsursprung gleichfalls von dem Zusammentreffen zwischen Römern und Germanen haben könnten.

 

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