Allerdings mag Varus nicht besonders erfreut über seine Abkommandierung
nach Germanien gewesen sein, denn er war sicherlich auch den angenehmen
Seiten des Lebens zugewandt. Und hier am Rande des römischen Imperiums
wo Luxus ein Fremdwort war, und das kalte und regnerische Klima dem
sonneverwöhnten römischen Gemüt zusetzte, gab es kaum Gelegenheit für
ihn, seine gewohnt bequeme Lebensart auszuleben. Varus hatte gewiss den
Auftrag die Verhältnisse in den rechtsrheinischen Gebieten weiter zu
romanisieren, und die Germanen an die Römische Lebensart zu gewöhnen.
Hingegen durfte er sich nicht auf große militärische Abenteuer
einlassen, da es nach der Lage der Dinge im Moment nicht zu verantworten
wäre, gleichzeitig zum Krieg in Pannonien und Dalmatien einen weiteren
Substanz zehrenden Konflikt in den germanischen Gebieten zu suchen. Velleius Paterculus erwähnt ja auch zum Krieg in Pannonien, dass es
gegen die Belange der Sicherheit ist, ein Heer im innersten Germaniens
zu vergraben.
Die
Gründe warum Varus scheiterte, liegen zum einen wohl in der Arroganz des
Siegers über den Besiegten. Es verhielt sich damals wohl so wie es in
der Geschichte der Menschheit oftmals geschehen ist. Der römische
Statthalter zählte sicherlich zu den Römern die glaubten aus einer der
germanischen Kultur und Lebensweise überlegenen Zivilisation zu stammen.
Es hieß ja auch im Nachhinein über ihn:
(Vel.Hist.117/3)“Als er
Oberbefehlshaber des Heeres in Germanien wurde, bildete er sich ein, die
Menschen dort hätten außer der Stimme und Gliedern nichts
Menschenähnliches an sich, und die man durch das Schwert nicht hatte
zähmen können, die könne man durch das römische Recht lammfromm machen“.
Ein
eindrucksvolles Beispiel über die Motivation der Germanen, sich den
Römern zu widersetzen liefert
Tacitus in seiner Beschreibung über die
verbale Auseinandersetzung zwischen
Arminius und
Flavus an der Weser
(Tac.Ann.II/10). In
seiner Überheblichkeit überging Varus die germanischen Traditionen und
religiösen Riten, und versuchte die Römische Lebensart den scheinbar
ungebildeten Barbaren unnachgiebig aufzuzwängen. Ein Großteil der
Germanen hatte jedoch vollkommen andere Wertvorstellungen und sie sahen
in den neuen römischen Sitten, unter anderem das fundamentale
Wegbrechen ihrer moralischen Grundlagen. Allein die römische
Rechtsprechung und die daraufhin folgende grausame Bestrafung,
widersprach der einheimischen Gesellschaftsordnung, die vormals auf die
strenge religiöse Ausrichtung der heimischen Gesetze eingestellt war.
Diesen von der römischen Kulturwende ausgelösten Unfrieden in der
germanischen Gesellschaft vermochte Varus nicht einzudämmen, sondern er verstärkte ihn
im Gegenteil durch persönliche Anmaßung noch derart,
dass es irgendwann zur Eskalation kommen musste. Nach
einer Überlieferung achteten vorerst die Germanen mehr die römischen
Schwerter als ihre Gesetze. Das kann nur soviel heißen, dass die
gewaltige römische Militärpräsenz und die anscheinende Unbesiegbarkeit
der Römer der Grund waren, warum sich ein Großteil der germanischen
Völker vorläufig dem ihnen aufgebürdeten Diktat unterwarfen. Vorläufig
verhielten sich die germanischen Stämme noch relativ ruhig gegenüber
ihren Besatzern.
Warum
Varus dem Arminius gegenüber ein solches Vertrauen entgegen brachte ist
einfach zu erklären, denn dieser junge Cheruskerfürst bedeutete für
Varus einen menschlichen Lichtblick, im Gegensatz zu den anderen
Germanen mit denen der römische Statthalter Kontakt hatte. Arminius
besaß sicherlich eine Ausstrahlung die Varus beeindruckte und vielleicht
auch auf eine Art faszinierte. Zusätzlich hatte der junge Germanenfürst
eine römische Bildung in Grundzügen genossen und verstand die lateinisch Sprache, so dass sich
Varus mit ihm ohne gravierende Sprachbarrieren unterhalten konnte. Arminius
bestärkte Varus sicherlich gegen den angeblich aufständischen Stamm vorzugehen und
veranlasste ihn auf seine vorgeschlagene Strategie einzugehen. Denn
durch den absehbaren Sieg der Römer in Pannonien war es für Varus
gleichfalls klar, dass er und seine Politik in Germanien verstärkt
durch Augustus begutachtet werden. Da würde ein nicht unterbundener
Aufstand ein schlechtes Licht auf ihn als Statthalter werfen. Varus nahm
die Anregungen von Arminius den Aufstand nach seinen Vorschlägen zu
bekämpfen dankbar auf. So sah der Römer doch einen Verbündeten in dem
jungen Germanen, der ihm zur Lösung dieses Aufstandsproblems beistehen
würde.