Die Knochengruben
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Als ein ausschlaggebendes
Indiz für eine Varusschlacht in der Niewedder Senke, gelten die von
den Ausgräbern entdeckten Knochengruben im Bereich des Oberesch. In
diesen acht bisher nachgewiesenen Knochengruben lagen vor allem
Maultier- und Menschenknochen von 17 Menschen im Alter zwischen
zwischen 20 und 45 Jahren in ehemaligen Bodensenken deponiert. Da
Teile dieser Knochen Trockenrisse sowie Anzeichen
von Nagetierfraßspuren haben, und teilweise anatomisch zusammenhanglos
vergraben wurden, vermutete man dass diese Gebeine erst längere Zeit nach dem
Ableben ihrer Besitzer an der Oberfläche gelegen haben müssen, und erst Jahre
später unter die Erde gelangt sind. Hier wurde eine Quellenverbindung zur Varusschlacht hergestellt,
denn die Überlieferung sprach davon, dass die Gebeine der in der Clades Variana
getöteten Römer, 6 Jahre später von den Germanicuslegionen eingesammelt und
bestattet wurden. Nach dem ersten unvoreingenommenen Abgleich mit der
Quellenlage, die oberflächlich gesehen eine Übereinstimmung mit dem
archäologischen Befund ergibt, zeigt gerade eine genaue Überprüfung wie sehr die
histographische Überlieferung der Existenz dieser Knochengruben widerspricht.
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Gebeine aus der aufgefundenen
Knochengrube Nr.5 |
Es gibt von drei
verschiedenen Quellen Aussagen über die Bestattung der Varuslegionen. Zum einen
sind es die allseits bekannten Äußerungen des Tacitus (Tac.Ann. I 62): „ Und nun
setzte das hier befindliche römische Heer, sechs Jahre nach der Niederlage, die
Gebeine von drei Legionen bei, in trauriger Stimmung und zugleich in wachsenden
Zorn auf den Feind, ohne das jemand erkannte, ob er die Überreste von Fremden
oder von seinen eigenen Angehörigen in der Erde barg. Und es war, als ob sie
alle zusammengehörten, als ob sie Blutsverwandte seien. Das erste Rasenstück zur
Aufschichtung des Hügels legte der Caesar als willkommensten Liebesdienst
für die Toten und als Zeichen seiner Anteilnahme an den Schmerz der Anwesenden.“
Und im Jahr darauf: Ann. II 7: „Jedoch hatten sie den erst kürzlich
für die Legionen des Varus errichteten Grabhügel und einen früher für Drusus
gebauten Altar zerstört. Diesen stellte der Princeps wieder her und
veranstaltete selbst an der Spitze der Legionen einen Vorbeimarsch. Den
Hügel zu erneuern hielt er nicht für angebracht.“
Weiterhin schrieb
(Sueton Cal.3). „Wo immer er
(Germanicus)
Grabmäler berühmter Männer besuchte, brachte er den Geistern der Verstorbenen
ein Totenopfer dar. Er wollte die alten, überall verstreut herumliegenden
Überreste der in der Varusschlacht Gefallenen in einem Grabhügel
bestatten, also machte er sich als erster daran, eigenhändig die Leichenteile zu
sammeln und zusammenzutragen.“
Zu guter letzt schrieb Cassius Dio
folgende Zeilen (Cass.Rom.57,18,1):
„Germanicus noch immer in Sorge vor einer neuen Empörung, zog mit den Soldaten
in Feindesland und hielt sich dort länger auf, weil er ihnen Beschäftigung und
zugleich reichlichen Proviant auf fremde Kosten geben konnte. Germanicus drang
auf seinem Feldzug gegen die Kelten erfolgreich bis an den Ozean vor, errang
über die Barbaren einen überwältigenden Sieg, ließ die Gebeine der unter Varus
Gefallenen sammeln und bestatten, und erlangte auch die verlorenen Feldzeichen
wieder.“
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Nach der
übereinstimmenden Aussage dieser drei Aufzeichnungen kann es sich damals nur um
einen einzigen Grabhügel gehandelt haben, der zu Ehren der Gefallenen Römer
errichtet wurde. Die
Dimension dieses Hügels dürfte selbst bei etwa 20000 Gebeinen nicht ins Monumentale
ausarten, so dass von einer Größenordnung eines luxuriösen Einfamilienhauses
auszugehen wäre. Ob nach der Varusschlacht letztendlich sämtliche Gebeine
eingesammelt wurden kann bezweifelt werden, aber es ist zu bedenken, dass
Germanicus während diesem Feldzug mit acht Legionen operiert hat. Wenn nur die
Hälfte seiner Legionäre an der Aufsammlung der sterblichen Überreste beteiligt
gewesen wären, so hätte es zahlenmäßig mehr als ausgereicht wenn jeder
Beteiligte nur ein menschliches Gerippe geborgen hätte. Wenn die Kalkrieseausgräber davon
ausgehen, und das machen sie offensichtlich, dass sich bei Kalkriese ein Zentrum
der eigentlichen Varusschlacht ereignet hat, dann sollte sich demnach aus
logischen Gesichtspunkten der eigentliche Grabtumulus, der durch die Quellenlage
eine hohe Existenzwahrscheinlichkeit hat, in einer gewissen Nähe zu
diesem Schlachtzentrum befunden haben. So müssten gerade hier am Brennpunkt des
Geschehens, wo die Opferzahl während der Schlacht und in Folge dessen auch die
Anzahl der übrig gebliebenen Skelette sicherlich relativ hoch war, die Gebeine
aufgesammelt und in den nahe liegenden Tumulus verbracht worden sein.
Zusätzliche Knochengruben ausgerechnet an diesem Ort machen dann keinen Sinn
mehr.
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Auch die Bestattungen
in den Knochengruben an sich passen nicht für eine würdevolle Grablegung von
Legionär zu Legionär. Menschliche Gebeine gemeinsam mit Maultierknochen zu
begraben, entsprach normalerweise nicht einem pietätvollen römischen
Bestattungsritus für einen gefallenen Legionär. Es vermittelt sich der Eindruck
dass es sich bei den Knochengruben nicht um eine ehrenvolle Bestattung von
menschlichen Gebeinen handelt, sondern dass wir es hier mit einer Beseitigung
von störenden Skelettresten zu tun haben. Will man den einen Tumulus jedoch
immer noch ablehnen, so müsste im Gegenzug die Niewedder Senke bei einer
Opferzahl von 15000 – 20000 gefallenen Legionären mit Knochengruben übersäht
sein. Gab es aber hier ein anderes Schlachtereignis bei dem gefallene Römer auch
noch Jahre danach unbestattet herumlagen, so ist es wiederum möglich dass sie
später, von wem auch immer, auf diese Art bestattet oder vielleicht auch nur
entsorgt wurden.
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