Die Lange Renne
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Ein Gewässer im Einzugsbereich
des Rheines rückt in den Mittelpunkt der Betrachtungen des Flusssystems des
Rheines zur Römerzeit. Dabei handelt es sich um die Lange Renne
(Lange Rinne) auf der rechten Rheinseite südöstlich gegenüber der
Colonia Ulpia Trajana (CUT). Betrachtet man sich diesen bisher als Altrheinarm
gedeuteten Wasserlauf genauer so stellt man fest, dass dieses
Gewässer nicht so recht in das Schema der ehemaligen Rheinläufe und
Flussstrecken passen will. Denn im Gegensatz zu allen anderen
Altrheinarmen die in der niederrheinischen Tiefebene neben diesem
Fluss heute noch in der Landschaft sichtbar sind, fehlt hier eine
ausgeprägte Mäanderkrümmung die sonst charakteristisch für diese
ehemaligen Rheinbetten am Niederrhein ist. Die Lange Renne
durchtrennt die Mehrer Halbinsel von der Höhe des Scheitelpunktes
des Rheinmäanders Visseler Schlinge auf ihrer gesamten Strecke in
einem geraden kanalartigen Gewässerverlauf und mündet in den
Rheinmäander Sonsfelder Schlinge. Sie verläuft Kanalartig am Fuße des Diersfordter Flugsandhöhenrückens auf einer Länge von etwa zwei
Kilometern und hat durchgängig eine Breite von etwa 100-150 Metern.
Diese
Tatsache allein ist noch nicht besonders auffällig aber ein anderes
Faktum sollte aber aufhorchen lassen, denn beidseitig dieses lang
gezogenen Gewässers schichten sich die Ufer steil auf mehr als vier
Meter über das normale Wasserniveau auf. Diese Eigentümlichkeit ist unter diesen
Umständen mit
natürlichen Ursachen nicht zu rechtfertigen, denn hier befand sich eine
stets hochwasserfreie Halbinsel die in das Rheinvorland hineinragt. Es
scheint unmöglich, dass der Rhein hier früher einmal bergauf geflossen
ist um diese Mehrer Halbinsel zu durchschneiden. Die bisher langläufige
Erklärung für diesen Umstand lautet, dass diese Rinne durch
Eismassen der letzten Eiszeit abgetragen wurde. Doch da sich die
Visseler Schlinge, von deren Scheitel aus sich die Lange Renne bildet,
erst in spätneholitischer und bronzezeitlicher Zeit mäandriert hat,
also zu einer Zeit weit nach der letzten Eiszeit, scheint diese
Erklärung weit abseits der Realität zu sein.
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Google Ansicht Lange Renne:
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Man muss aus diesen
gegebenen Gründen die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass dieses
Gewässer künstlich von Menschenhand angelegt wurde. Eine Abgrabung in
jüngerer Vergangenheit ist ausgeschlossen, denn über eine derart
aufwändige Bautätigkeit müsste es schriftliche Aufzeichnungen oder
mündliche Überlieferungen geben. Da bis ins hohe Mittelalter die Römer
vermutlich die einzigen waren die massiv in den Stromverlauf des Rheines
eingriffen, bleibt nur diese antike Supermacht als Urheber
dieses wassertechnischen Bauwerks übrig, denn nur diese war fähig eine
derart aufwendige Abgrabung zu vollbringen. Das auf dieser Seite aufgeführte
Echogramm der Langen Renne auf ihrer ganzen Länge, zeigt eine
durchgängige Wassertiefe von etwa 2-3 Metern. Im Süden dieses
Kanals, dort wo er an die Visseler Schlinge anschließt, ist jedoch
eine Ausbuchtung im Gewässergrund zu erkennen, die an dieser Stelle
eine Wassertiefe von mehr als 10 Metern zeigt. Ein derart
untypischer Gewässerboden kann nur durch einen abrupten
Wassereinbruch entstanden sein, bei dem angestautes Wasser plötzlich
mit großer Macht in diesen Kanal eingebrochen ist, und den
Untergrund massiv unterspült hat. Da es in diesem Bereich keinerlei
Deichbauwerke gab, kann dieser Durchbruch nicht von einem Deichbruch
herrühren, sondern diese tiefe Ausbuchtung muss in dem Moment
entstanden sein, als der Lauf der Lange Renne zur Hochwasser
führenden Visseler Schlinge durchstochen wurde.
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Bild anklicken zum Vergrößern

Die Lange Renne von
der Prallhangseite der Visseler Schlinge
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Um
nachzuvollziehen welchen Zweck die Römer mit einem derartigen Aufwand
verfolgten konnten muss man sich das Flusssystem des frührömischen
Rheines vor Augen halten. Wie bereits erwähnt handelte es sich bei dem
Rhein dieser Zeit um einen schwach mäandrierenden Hauptstrom der von
zahlreichen Seitenarmen begleitet wurde. Einige dieser Seitenarme wurden
noch aktiv vom Wasser durchflossen, andere waren im Begriff zu
verlanden, wobei sie nur bei bestimmten Wasserständen von den
Rheinfluten durchflossen wurden. Ein solcher Seitenarm war die Pistley
am linken Rheinufer am Rande der CUT. An diesem alten Rheinarm wurde
schon während der ersten römischen Anwesenheit am Niederrhein ein Hafen
zur Versorgung von Vetera I angelegt. Die Pistley wurde im Süden von dem
Dombogen und im Norden von der Visseler Schlinge abgeschnitten. Sie ist
der ältere dieser Seitenarme und hatte schon damals nicht mehr
permanenten Durchfluss vom Rheinwasser, sondern bei normalem Wasserstand
nur einen Zufluss abseits der Hauptstromrinne. Die Verlandung der
Pistley war bereits soweit fortgeschritten, dass der Hafen der CUT schon
in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts aufgegeben werden musste.
Der Dombogen führte hingegen noch mindestens bis ins Mittelalter Wasser
und hatte eine Verbindung zum Rhein, denn auf ihm sind im Jahre 864 n.
Chr. die Normannen mit ihren Schiffen bis vor die Tore Xantens gefahren.
Auf der
direkt gegenüber liegenden rechten Rheinseite befinden sich zwei
prägnante ehemalige Flussbetten des Rheines. Dabei handelt es sich um
die Diersfordter- und die Visseler Schlinge, wobei hier die Visseler
Schlinge die jüngere ist, denn sie durchschneidet die Diersfordter
Schlinge. Die Visseler Schlinge ist die Fortsetzung des Dombogens und
müsste in Folge dessen unter normalen Umständen noch durchgehenden
Wasserdurchfluss gehabt haben, zumal sie bei ihrem Wechsel auf die linke
Rheinseite auch die Pistley abgeschnitten hat.
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Die Lange Renne aus der
Luft von Norden nach Süden |
Anhand
der Sedimentablagerungen in dem Niedertrassenkörper nördlich von Xanten
ist zu erkennen, dass der Rhein damals die Tendenz hatte, mehr als
heute, nach Westen abzuknicken, und damit im weiteren Verlauf der Waal
vermehrt Wasser zuzuführen. Dieses Verhalten widersprach dem Ansinnen
der Römer, möglichst viel Wasser in den rechten Rheinarm, dem
niederländischen Rhein und dem Drususkanal zuzuführen. Mit der
Durchtrennung der Mehrer Halbinsel konnte von der Visseler Schlinge
durch die Lange Renne Rheinwasser in die Sonsfelder Schlinge geleitet
werden, und so durch die nicht mehr aktiven Rheinarme an der rechten
Rheinseite vermehrt Wasser dem rechten Rheinlauf hinzuführen. Unter
diesen Vorraussetzungen könnte es sich bei der Langen Renne um ein
Wasserbauwerk handeln, welches in Verbindung mit dem Bau Drususkanals
errichtet wurde, und somit ein Teil dieses Kanalsystems war. Eine
Bestätigung dieser These gibt uns der römische Geschichtsschreiber
Sueton. Er schrieb (Claudius): “in dieser Funktion segelte er (Drusus) als erster römischer Feldherr über den nördlichen Ozean und
legte jenseits des Rheins Kanäle an; diese Arbeit trieb er tätig voran,
es war ein gewaltiges Unternehmen. Diese Kanäle führen bis in unsere
Zeit noch immer seinen Namen.“ Sueton spricht hier eindeutig von
mehreren Kanälen die von Drusus angelegt wurden, so dass es neben dem
eigentlichen Drususkanal noch weitere kanaltechnische Bauwerke gegeben
haben muss.
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Die Lange Renne / Blick von Süden |

Echogramm Lange Renne
nördlicher Bereich |
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Topographische Ansicht der
Langen Renne/Lage des ehemaligen Wehrturms |

Echogramm Lange Renne Mittlerer Bereich
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Bild anklicken zum Vergrößern

Blick von dem Ort des
ehemaligen Wehrturmes nach Xanten |

Echogramm Lange Renne
Südlicher Bereich
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