Die Geschichte der
Varusschlachtsuche |
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Die Anfänge der
Varusschlachtsuche
Das Hermannsdenkmal
Die Varusschlacht in Holland
oder an der Elbe?
Mommsen und Kalkriese
Die Suche nach Aliso |
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Die
Anfänge der Varusschlachtsuche
Im Jahr
1507 wurde im Kloster Corvey bei Höxter eine Handschrift der „Annalen“
des römischen Geschichtsschreibers Tacitus entdeckt und von einem
durchreisenden päpstlichern Steuerbeamten nach Rom gebracht. Dort
erschien auch elf Jahre später die erste gedruckte Ausgabe dieses
Werkes. So erfuhren die Menschen auch hierzulande, erstmalig
Geschehnisse aus ihrer längst vergessenen Vergangenheit. Das
herausragende Ereignis in dieser dort erzählten, zu diesem Zeitpunkt
schon anderthalb Jahrtausende zurückliegenden Geschichte war die
Tatsache, dass es den Germanen (für die damaligen Ansichten das Urvolk
der Deutschen) gelang, das übermächtig scheinende Rom herauszufordern
und zu bezwingen. Der Gedanke an diesen überwältigenden Sieg über die
drei Legionen des Varus beflügelte die Phantasie vieler historisch
wissensdurstiger Menschen. Fortan waren viele Heimat- und Geschichtsforscher
eifrig bemüht, den genauen Ort dieser für die einheimische Vergangenheit bedeutsamen Schlacht zu lokalisieren. Diese
Suche nach dem Platz dieses römischen Debakels entwickelte sich dann
aber im Laufe der Jahre immer mehr zu einer verbissenen Schlacht um das
Schlachtfeld. Eine Großzahl historisch interessierter Menschen,
Schlauköpfe sowie Einfallspinsel, fühlten sich zur Varusforschung
berufen und wollten sich die Entdeckung dieses bedeutungsvollen Ortes
auf ihre Fahnen schreiben.
Der
Kaplan von Friederich dem Weisen von Sachsen Georg Spalatin, legte den
Ort der Teutoburger Schlacht in die Nähe von Duisburg, doch bald darauf
beanspruchte der westfälische Kaplan Johannes Cincinnius 1539 und
1558/60 Phillip Melanchthon ihre Heimat zwischen Ems und Lippe als die
Stelle, wo Varus seine Niederlage erlitten haben soll. Wie die Karte Belgii Veteris von Abraham Ortelius aus dem Jahr 1584 und eine weitere
aus 1587 verdeutlicht, gab zu dieser Zeit auch Theorien die sich für
ein Teutoburgium in den heutigen Niederlanden aussprachen. Es scheint
aber schon zu dieser Zeit ein bedeutendes Politikum gewesen zu sein, den
Ort der Schlacht in seiner eigenen Heimat zu lokalisieren. Denn als nach
den Publikationen des Detmolder Arztes Clüver (1616) des Blombergers
Pastors Piderit (1627) und des Paderborners Bischofs Freiherr von
Fürstenberg (1669) auch noch die bis dahin als Osning bekannte Gegend
offiziell in den Teutoburger Wald umbenannt wurde, konzentrierten sich
die Forschungen in erster Linie auf dieses ausgedehnte und bergige
Waldgebiet.
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Karte von
Abraham Ortelius aus dem Jahr 1584
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Das Hermannsdenkmal
Ein
Höhepunkt, der den nun umgetauften Teutoburger Wald als den Ort in dem
die „Mutter“ aller deutschen Schlachten ausgefochten wurde
manifestieren sollte, war die Errichtung des Hermanndenkmals durch den
bayerischen Künstler Ernst August Brandel, in unmittelbarer Nähe der
Stadt Detmold auf dem Teutberg. Dieses 53 Meter hoch aufragende Standbild, dass den Cheruskerfürsten Arminius darstellt, wurde höchstpersönlich vom Kaiser
Wilhelm selbst am 16. August 1875 eingeweiht. Der Osning galt nun
offiziell für alle Welt sichtbar, als das Gebiet in den Arminius die
Germanen zu diesem überwältigenden Sieg führte. Durch die Angaben des
römischen Geschichtsschreibers Velleius Paterculus, nach denen Varus
sich mit seinen Legionen im inneren Germaniens aufhielt, und der
gleichzeitigen Darlegung der erzählten Ereignisse von Cassius Dio,
nachdem Varus sein Sommerlager an der Weser aufgeschlagen haben musste
und sich die Niederlage in einem Waldgebirge ereignet haben soll, war es
danach ja auch die wahrscheinlichste Theorie den Schlachtort im Gebiet
zwischen Barenau im Norden und Beckum im Süden des Osnings zu suchen.
Der römische Statthalter Varus musste dann bei seinem Rückmarsch von
seinem Weserlager in die lippischen und linksrheinischen
Winterquartiere diese hügelreiche Gegend mit seinen Legionen
durchqueren. Was zur abschließenden Bestätigung der Varusschlacht in
diesem Gebirge fehlte, war nur noch eine Bekräftigung durch die
Archäologie. Doch diese Wissenschaft versagte trotz emsigster
Bemühungen den „Varusschlacht im Teutoburger Wald-Anhängern“ ihre
Zustimmung. So waren bis zu diesem Zeitpunkt im Osning nirgendwo
zusammenhängende archäologische Zeugnisse gefunden, die unzweifelhaft
auf einen Untergang der drei Varuslegionen hindeuten würden.
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Das
Hermannsdenkmal bei Detmold
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Die
Varusschlacht in Holland oder an der Elbe?
Gleichwohl wurden diejenigen die sich für einen anderen Ort als im
Osning bei ihrer Theorie aussprachen, in der Wissenschaft nicht mehr
ganz ernst genommen. Dabei gab es auch für andere Plätze im Reinland und
in Westfalen vielfache, teilweise beachtenswerte Hypothesen. 1936
erregte H.J.Knotterus mit seiner Vermutung dass Varus mit seinen
Legionen im niederländischen Achterhoek, in dem Gebiet bei Varsseveld
untergegangen sein könnte, wenig Aufsehen. Mag es an seiner dürftigen
Argumentationslinie gelegen haben, oder weil es im seinerzeit
nationalsozialistisch geprägten Deutschland keinen Platz für eine
„Urdeutsche“ Varusschlacht in Holland gab. Jedenfalls versagte die
historische Zunft dieser Theorie ihren Beifall.
Aber
auch für Gegenden wie zum Beispiel bei Hildesheim oder sogar bis zur Elbe, in dem Gebiet um Halberstadt gab und gibt es einige
unermüdliche Befürworter. So haben sich in den vergangenen fünfhundert
Jahren, nach der Aufzählung des Prähistorikers Harald von Petrikovits,
mehr als 700 verschiedene Hypothesen entwickelt, die jede für sich den
Wahrheitsanspruch behauptete, dass nur dort und nirgendwo anders Varus
mit seinen Legionen untergegangen sein kann.
Mommsen und
Kalkriese
Eine
dieser Theorien hat sich in der letzten Zeit nach Ansicht vieler
Wissenschaftler als die denkbarste von allen bisherigen
Schlachtortvermutungen herauskristallisiert. Demnach ereigneten sich im
Gebiet des Wiehengebirges am Nordrand des Osnings bei Kalkriese in der
Niewedder Senke, die Kämpfe zwischen dem Heer des Arminius und die
Legionen des Varus. Nachdem sich schon vor mehr als einhundert Jahren
der mit dem Literaturnobelpreis dekorierte Althistoriker Theodor Mommsen
in seiner „Römischem Geschichte“, für diese Gegend als den
vermeintlichen Schlachtort ausgesprochen hatte, machte dort 1984 Tony Clunn ein Major der Britischen Streitkräfte eine Aufsehen erregende
Entdeckung.
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Denkmal für
die Varusschlacht bei Varsseveld
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Bei der
Sondierung des Geländes mit einem Metalldetektor fand er drei römische
Schleuderbleie. Zwar wurden dort bei Feldarbeiten schon in den vergangenen
Jahrhunderten immer wieder römische Münzen gefunden, doch dieser
außergewöhnliche Fund bot Anlass für neue Spekulationen. Denn mit der Auffindung
dieser Schleudergeschosse vermuteten die Archäologen, dass sie in Verbindung mit
einer Kampfhandlung zwischen Römern und Germanen in den Boden gelangt sein
müssten. Endlich hatte man ein Schlachtfeld gefunden, welches für die Bestätigung der Varusschlacht im
Osning gefordert wurde.
Durch
die daraufhin eingeleiteten intensiven archäologischen Ausgrabungen
konnten noch viele weitere aussagekräftige Fundstücke im Erdboden
entdeckt werden. So zählt die Gesichtsmaske eines römischen Paradehelms,
die neben vieler weiterer Teile römischer Militaria gefunden wurde, zu
den herausragenden Fundstücken. Des Weiteren lokalisierte man auch einen
Erdwall, dessen Errichtung in die Zeit des ersten Jahrhunderts nach
Christus datiert wurde. Die Ausgräber interpretierten ihn als einen
einstmaligen Bestandteil des Hinterhaltes der Germanen. Diese
Entdeckungen gaben der Varusforschung eine Wende, und es schien als sei
dieses Rätsel dass seit vielen Generationen auf seine Entschlüsselung
gewartet hat endlich gelöst.
Die Suche nach Aliso
Aber selbst wenn die Suche
nach dem Varusschlachtfeld keinen Blumentopf als Gewinn versprach,
so warteten in dem Zusammenhang mit der römischen Okkupationspolitik
noch andere Örtlichkeiten aus dieser Zeit darauf, endlich aus dem
Dunkel der Geschichte zurück ins Licht der Gegenwart geholt zu
werden. So galt die Nachforschung auch den Militärlagern die von den
römischen Besatzern auf rechtsrheinischen Boden errichtet worden
sind, um im Zusammenhang mit ihrer Lokalisierung ein präziseres
Gesamtbild der damaligen Zeit zu erhalten. Denn im Gegensatz zu
einem Schlachtfeld, auf dem sich nur für einen kurzen Zeitraum ein
Geschehen widerspiegelt, und sich aus diesem Grund die Spuren im
Boden nur sehr schwer auffinden lassen (insofern ist die Entdeckung
des Schlachtfeldes bei Kalkriese ein Glücksfall für die
Archäologie), müssen sich von einem römischen Lager leichter Spuren
im Gelände wieder finden lassen. Und speziell das Lager Aliso,
welches während der Varuskatastrophe eine gewisse
Berühmtheit erlangt hatte, versprach seinem Entdecker reichlichen Ruhm.
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Tony Clunn
bei einer Signierstunde in Kalkriese
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Schon im
Jahr 1838 wurde auf dem Annaberg bei Haltern von einem gewissen Major
Schmidt aus Münster ein römisches Kastell entdeckt. Der Verdacht
drängte sich schon frühzeitig auf, dass hier das gesuchte Römerkastell
Aliso sein könnte. So begannen die ersten gründlichen Ausgrabungen. Seit
Anfang des letzten Jahrhunderts übernahmen F.Koep und anschließend
A.Stieren archäologische Untersuchungen. Die Erforschungen wurden mit
Pausen bis in die heutige Zeit fortgeführt, so dass Haltern im Moment
das besterforschte Lager auf rechtsrheinischen Boden ist. Oder man
müsste aber um genauer zu werden von mehreren Lagern sprechen, denn seit
seiner ersten Belegung um das Jahr 8-6 vor Christus ist dieses Kastell
mehrmals umgebaut und erneuert worden. Es diente in seiner Endphase der
Aufnahme von einer Legion und durch den Fund eines Ziegelstempels ist
der Aufenthalt der 19 Legion, die an der Varusschlacht beteiligt war und
dabei ihren Untergang fand, belegt. Obwohl Haltern noch immer die
meisten Alisobefürworter hat, kann es anscheinend nicht dieses gesuchte
Römerlager sein. Denn diese Lager sind nach genauen Untersuchungen im
Jahr der Varusschlacht zerstört und nicht wieder neu belegt worden.
Im Jahr
1873 gab es eine Theorie des F.Hülsenbach über das Vorhandensein eines
Römerlagers in Oberaden an der Lippe. Am 15. August 1906 begann dort die
erste Grabungskampagne, nachdem im Jahr zuvor der Pfarrer Otto Prein
durch Interpretation von Orts- und Flurnamen, und genauen
Geländebeobachtungen ein Römisches Kastell lokalisiert hatte. Die
Wissenschaft frohlockte über einen zweiten Kandidaten in der Alisosuche.
Einige Jahre lang dufte sich der historisch interessierte Geistliche als
der Enddecker dieses vielgesuchten Römerlagers feiern lassen. Doch nach
den ersten Ausgrabungen und der Auswertung der Ergebnisse kam die kalte
Ernüchterung. Das Römerlager Oberaden konnte nicht Aliso sein, denn zur
Zeit der Varusniederlage gab es dieses Kastell schon lange nicht mehr.
Seine Datierung fällt in die frühaugusteischen Germanenfeldzüge unter
Drusus in den Spätsommer des Jahres 11 v. Chr. Mit seinen Ausmaßen von
56 Hektar diente es wahrscheinlich der Aufnahme von zwei bis drei
Legionen. Es ist bisher immer noch das größte römische Militärlager in
Deutschland, und das älteste welches auf rechtsrheinischen Boden
errichtet wurde. Nachdem Tiberius im Jahr 8 v Chr. den Oberbefehl über
die Germanischen Legionen erhielt, und mit den rechtsrheinischen
Germanen Verträge abgeschlossen hatte, ist dieses Römerlager nach
bisherigen Erkenntnissen planmäßig im Zuge strategischer Neuordnungen
aufgelassen worden.
Römische
Amphorenscherben in Holsterhausen am Unterlauf der Lippe, boten 1964 in
der Alisosuche Anlass für neue Spekulationen. Bei den daraufhin
eingeleiteten archäologischen Untersuchungen kam ein römisches
Marschlager, dass jeweils nur kurzfristig belegt war, in den Fokus der
Archäologie. Die dendochronologischen Datierungen ergaben, dass dieses
Lager um die Zeit 11-7 vor Christus bestanden hat und damit nur in der
Frühzeit der römischen Eroberungsversuche eine Rolle spielte. Aus diesem
Grund bestätigte sich der anfänglich aufkommende Alisoverdacht auch hier
nicht.
1965
entdeckte ein Landwirt bei der Anlage einer Rübenmiete in
Dellbrück-Anreppen das bisher vierte Römerlager an der Lippe. Die
Untersuchungen durch den Chefarchäologen S.Kühlborn ergaben, dass dieses
Lager um das Jahr 4/5 nach Christus wahrscheinlich durch den damaligen
Statthalter Tiberius errichtet wurde. Man entdeckte in diesem Lager,
das für die Aufnahme einer Legion diente ein Prätorium, das Wohnhaus
des Kommandeurs, dass von seinen Abmessungen her im Vergleich zu den
anderen Lippelagern um vieles größer und prächtiger ausgestattet war.
Damit legte sich der Verdacht nahe, dass hier der jeweilige Statthalter
sein Hauptquartier auf der rechten Rheinseite hatte. Dieses Kastell ist
das östlichste aller bisher entdeckten römischen Lippelager, und mit
diesem Standlager gab es neben Haltern, dass zur Zeit der Varusschlacht
neben Anreppen existierte, einen neuen ernstzunehmenden Alisokandidaten der für
sich beanspruchen konnte, möglicherweise das lange gesuchte Römerkastell zu
sein. Aber durch die Tatsache dass auch hier keine Belegungsspuren
für die Jahre nach 9 gefunden worden sind, sondern im Gegenteil in
diesem Jahr das Lager einem Feuer zum Opfer gefallen ist, ist die
Wahrscheinlichkeit das hier einmal der Standort des gesuchten
Römerlagers war relativ gering. Nachdem durch umfangreiche
Untersuchungen bisher keines der vier entdeckten Lippelager
archäologisch gesichert zum eindeutigen Alisokandidaten gekürt werden
konnte, wartet dieses vielgesuchte Römerlager noch immer auf seine
Enthüllung.
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